Flüchtlinge sind zumeist Traumatisierte und Trauernde
Wien (APA) - Flucht bedeutet immer auch eine Verletzung der Psyche. Dagegen hilft oft schon ehrliches Interesse für den Einzelnen und schlic...
Wien (APA) - Flucht bedeutet immer auch eine Verletzung der Psyche. Dagegen hilft oft schon ehrliches Interesse für den Einzelnen und schlichtes Zuhören der Betreuenden. Eine Hilfe - speziell für ehrenamtliche Helfer - bietet jetzt das Buch „An ihrer Seite sein“ der Wiener Psychotherapeutin Barbara Preitler.
Die Expertin war vor mehr als 20 Jahren Gründungsmitglied von Hemayat, dem Wiener Betreuungszentrum für Folter- und Kriegsüberlebende. Im vergangenen Jahr ist sie manchmal dreimal pro Woche bei Veranstaltungen für Menschen gewesen, die sich in der Flüchtlingshilfe engagiert haben. „Egal, für wie lange der Workshop angesetzt war, die Zeit war immer zu knapp“, sagte sie am Donnerstag bei der Präsentation des Buches in Wien.
In dem Band, der als Werk zum schnellen Nachschlagen dienen und Basiswissen in der psychosozialen Betreuung von traumatisierten Flüchtlingen bieten soll, werden leicht verständlich die Prinzipien eines durch Menschlichkeit und Empathie geprägten Zugehens auf die Betroffenen vermittelt. „Trauma heißt Verletzung. Es gibt Verletzungen, die von selbst heilen. Es gibt Verletzungen, die man mit ‚Hausmitteln‘ behandeln kann. Natürlich gibt es auch Verletzungen, die eine professionelle Behandlung benötigen“, sagte Barbara Preitler.
In einem Großteil der Fälle psychischer Traumen helfe schon Empathie, das verständnisvolle Zugehen auf die Betroffenen und der Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung viel. Hier könnten freiwillige Helfer eine enorm wichtige Rolle spielen. Sich selbst aufgeben sollten sie dabei in ihrem Engagement aber auch nicht.
Die Psychotherapeutin will mit dem rund 170 Seiten umfassenden Buch (Studienverlag/Innsbruck) aber auch mit Missverständnissen aufräumen. „Kein einziger Flüchtling hat nur ein einziges Trauma erlebt. Oft beginnt die innere psychische Belastung erst dann, wenn Sicherheit in der äußeren Welt erlangt ist“, sagte sie und sprach damit die für manche Menschen nicht leicht erklärbare Latenzzeit bis zum Auftreten der Symptome psychischer Traumatisierung an.
Auch für die Umwelt manchmal problematische Verhaltensweisen seien oft integraler Bestandteil des erlebten Schreckens. „Ein erster Schritt wäre es auch, anzuerkennen, dass Menschen, die so Schwerwiegendes erlebt haben, ein Recht darauf haben, wütend zu sein.“ Auch Aggressivität sei eine natürliche Reaktion. Dass viele Betroffene auch in Antriebslosigkeit und Depressionen hinein rutschen, dürfe ebenfalls nicht überraschen: „Menschen haben sehr viel verloren, wenn sie auf der Flucht sind. Die normale Reaktion ist Trauer. Flüchtlinge sind trauernde Menschen. Und Trauer braucht Zeit.“
Hemayat hat weiterhin eine Warteliste von rund 400 Trauma-Opfern, die behandelt werden müssten. Die Initiative ist zu einem großen Teil auf Spenden angewiesen.
(S E R V I C E: Barbara Preitler: „An ihrer Seite sein - Psychosoziale Betreuung von traumatisierten Flüchtlingen“. Studienverlag/Innsbruck, 172 Seiten; 14,90 Euro; Hemayat: http://www.hemayat.org)