Österreich

30 Empfehlungen zu Wahlreform in Österreich

Das Team von wahlbeobachtung.org vor dem Parlament in Wien: Armin Rabitsch, Michael Lidauer, Paul Grohma (v. l.).
© Armin Rabitsch

Eine höhere zivilgesell- schaftliche Beteiligung und einheitliche Standards sollen die Abwicklung von Wahlen hierzulande besser machen.

Von Carmen Baumgartner-Pötz

Wien –Wenn am 4. Dezember die Wiederholung der Bundespräsidentenstichwahl über die Bühne geht, wird der Wahlkampf Österreich fast ein Jahr lang in Atem gehalten haben. Zwei Wahlgänge, ein historisches Verfassungsgerichtshoferkenntnis und die Kuvertkleberaffäre später zweifeln nicht wenige Politikbeobachter am Wahlsystem in Österreich. Jedenfalls wollen die Parlamentsparteien nach der Bundespräsidentenwahl das Wahlrecht reformieren, einige Vorschläge (Zentrales Wählerregister, E-Voting, Vereinfachungen) wurden bereits genannt.

Auch Paul Grohma, Michael Lidauer und Armin Rabitsch haben sich ihre Gedanken zu Wahlen in Österreich gemacht. Normalerweise sind sie in Ländern wie Haiti, Myanmar oder Zimbabwe als Wahlbeobachter und Wahlexperten im Einsatz; für internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen, die OSZE oder die EU. Insgesamt waren sie schon in 50 verschiedenen Ländern, um Wahlen zu beobachten, zu analysieren, und um Verbesserungen vorzuschlagen und umzusetzen. Um internationale Erkenntnisse auch im eigenen Land einzubringen, haben die drei Österreicher eine unparteiische Arbeitsgemeinschaft, wahlbeobachtung.org, gegründet.

Ende September trafen die drei internationalen Wahlbeobachter mit Verfassungssprechern und Wahlexperten aller politischen Parteien im Parlament zusammen, um über Wahlreformen zu diskutieren. Das Team von wahlbeobachtung.org hatte auch ein Treffen mit der Wahlabteilung des Innenministeriums. Ebenso trafen die drei Wahlbeobachter Verfassungsexperten, Politologen, den Presserat, Medienaufsichtsbehörden und Vertreter der Zivilgesellschaft.

„Wir haben offene Türen gefunden“, zeigt sich der Tiroler Armin Rabitsch im Gespräch mit der TT durchaus zufrieden. 30 Empfehlungen zu möglichen Reformen haben die drei Wahlbeobachter in einem Diskussionspapier zusammengefasst, österreichische Wahlprozesse und die Wahlgesetzgebung werden darin mit Bezug auf internationale Standards analysiert. Ziel ist eine Verbesserung des derzeitigen Status. „Es gibt ja bereits bestehende OSZE-Verpflichtungen und -Empfehlungen, die bislang vom Parlament nur bedingt umgesetzt wurden“, so Rabitsch. Das Papier, das allen politischen Parteien und der Bundeswahlbehörde bereits übermittelt wurde, soll im anstehenden Wahlreformprozess als Referenz dienen. Ein Punkt, der Rabitsch und seinen Kollegen besonders wichtig ist, ist die Einbindung der Zivilgesellschaft. Derzeit lässt der gesetzliche Rahmen nur wenig Spielraum: Beisitzer müssen von den Parteien nominiert werden, strenggenommen dürfen „fremde“ Personen gar nicht ins Wahllokal – Fotografen etwa, die Spitzenkandidaten bei der Stimmabgabe ablichten wollen, jemand, der den Beisitzern eine Jause bringt, inklusive. Rabitsch hält auch einen einheitlichen Wahlschluss (in vielen Dörfern ist derzeit um 13 Uhr Wahlschluss, in Städten erst um 17 Uhr) für wichtig: „Einerseits sollte jeder Wähler das gleiche Wahlrecht haben und seine Stimme bis 17 Uhr abgeben können. Und es hat natürlich auch den Vorteil der wirklich einheitlichen Auszählung und dass davor keine Ergebnisse weitergegeben werden können, die vielleicht noch Einfluss auf das Wahlverhalten haben“, erklärt Rabitsch.

Das Wahlkartensystem hält der Experte ebenfalls für verbesserungswürdig. „Um eine Differenzierung zwischen ‚Briefwahlstimmen‘ und ‚herkömmlichen Stimmen‘ zu vermeiden, sollten die Briefwahlstimmen noch am Wahltag in den einzelnen Wahlsprengeln ausgezählt werden“, so Rabitsch. Wahlkarten seien prinzipiell ein Service am Wähler, auch ein zusätzlicher Vorwahltag ginge in diese Richtung – dann brauche es aber noch entsprechende Richtlinien zur Verwahrung der Kuverts. Die sind – in Pflegeheimen etwa darf sie das Personal verwahren – nämlich ebenfalls noch nicht ausgereift.

Wesentliche Empfehlungen:

Österreich soll internationale Empfehlungen einhalten, Empfehlungen von OSZE und GRECO (Group of States against Corruption) umsetzen und nationale Wahlbeobachtung einrichten.

Die Wahlgesetzgebung könnte vereinfacht und vereinheitlicht werden. Parteien- und Wahlkampffinanzierung sollten transparenter und effektiver geregelt werden.

Die Wahltags-Administration sollte bundesweit – mit gleichen Öffnungszeiten und gleichem Entgelt für Wahlbeisitzer – harmonisiert werden. Wahlkarten von Briefwählern sollten in Wahllokalen am Wahltag mitausgezählt werden. Wähler könnten bei der Auszählung dabei sein – wie etwa in Deutschland.

Die Zivilgesellschaft und vor alle­m junge Wähler sollten in die Wahlabwicklung als Bei­sitzer eingebunden werden.

Jungwähler sollen bereits vor ihrem ersten Wahlgang politische Bildung in Schulen erhalten.

Auf www.wahlbeobachtung.org ist das gesamte Diskussionspapier zu finden.