Nobelpreis-Reaktionen - Dylan-Forscher: „Er braucht Nobelpreis nicht“
Wien/Stockholm (APA) - Die Vergabe des Literaturnobelpreises an Bob Dylan zeigt für den Wiener Kulturwissenschafter Eugen Banauch, dass die ...
Wien/Stockholm (APA) - Die Vergabe des Literaturnobelpreises an Bob Dylan zeigt für den Wiener Kulturwissenschafter Eugen Banauch, dass die Verbindung von Lyrik, Musik und Performance im Songwriting endgültig im Literaturbetrieb angekommen ist. Klar sei jedoch: „Dylan braucht den Nobelpreis nicht“, so Banauch, der selbst viel zu Dylan geforscht hat, zur APA.
Dass umgekehrt der Nobelpreis Bob Dylan als Aushängeschild brauche, gehe zwar ebenfalls zu weit. „Es kann aber gut sein, dass die literaturinteressierte Öffentlichkeit jemanden wie Dylan als Nobelpreisträger gut brauchen kann“, so der Wissenschafter vom Institut für Anglistik und Amerikanistik der Universität Wien. Gerade heuer sei die Vergabe aber „eine überraschende Entscheidung, denn Dylan war bei den Buchmachern in früheren Jahren schon weiter oben“.
Die Entscheidung könne gewissermaßen als ein Rufzeichen gegen Stimmen gewertet werden, die die Lyrik im Niedergang wähnen. Mit Dylan erweitere das Nobelpreiskomitee sozusagen den Horizont dessen, was alles hochwertige Poesie sein kann. Gleichzeitig sei es eine wichtige Anerkennung des Beitrags, den die seit den 1960er Jahren anspruchsvoller gewordene Populärmusik leiste. Banauch: „Gerade bei Dylan wird klar, dass wir es auch mit einem sprachlichen Phänomen zu tun haben. Das ist nun eine spannende Verschiebung in der Wahrnehmung. Es gibt nämlich sehr wohl einen ganz großen Erfolg der gebundenen Sprache - eben in Songtexten mit denen wir ständig konfrontiert sind“.
Interessant sei vor allem die enge Verbindung von Dylans Werk mit der Musik und seiner Performance. Gerade live verändert der 75-Jährige seine Texte und Musik immer wieder stark. „Dylan ist ein traumhaftes Beispiel dafür, dass ein Text nie abgeschlossen ist“, so der Forscher, der 2014 auch als Ko-Herausgeber des Buchs „AustroBob - Österreichische Aneignungen von Bob Dylans Poesie und Musik“ fungierte und anlässlich von Dylans 70er im Jahr 2011 eine Konferenz an der Universität Wien organisierte.
Die Arbeit an „AustroBob“ habe gezeigt, „wie stark Dylan in Österreich rezipiert worden ist“. Schon in den 1970er Jahren fand sein Werk in der damals zeitgenössischen Literatur Niederschlag - etwa in Michael Köhlmeiers erstem Hörspiel „Like Bob Dylan“. Auch in der Gegenwartsliteratur fänden sich zahlreiche Spuren Dylans.
Während sich etwa Wolfgang Ambros Bob Dylan noch sehr ehrfurchtsvoll angenähert habe, indem er vor allem dessen Werk zu übertragen suchte, sei der Zugang von jüngeren Vertretern des Austropop, wie der Band „Ja, Panik“ oder „Der Nino aus Wien“, ein anderer. „Sie nehmen was ihnen gefällt und was funktioniert. Man eignet sich Dylan mehr an und übersetzt weniger“, sagte Banauch.
Als „Forschungsobjekt“ sei Dylan schon seit geraumer Zeit ein Thema. In den Kulturwissenschaften werde er vor allem als interessanter Vertreter eines „neuen und anderen Amerika seit den 60er Jahren“ beforscht. Auch in den Literaturwissenschaften sei der Songwriter laut Banach vielerorts angekommen.