TT-Ombudsmann

4½ Stunden für 100 Kilometer: Bringt VVT-Reform Besserung?

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An der Landesgrenze aussteigen und auf den nächsten Zug warten: Das ist mit der Seniorenkarte des Verkehrsverbunds Tirol Pflicht. Jetzt wird darüber verhandelt, diesen Unsinn abzustellen.

Von Markus Schramek

Innsbruck –Es folgt eine Schätz- und keine Scherzfrage: 100 Kilometer sind es von Imst, Tirol, nach Feldkirch, Vorarlberg. Wie lange benötigt man für diese Strecke heutzutage unter Zuhilfenahme öffentlicher Verkehrsmittel? Die Antwort: rund 1,5 Stunden mit dem Zug. Außer man ist Inhaber einer Seniorenjahreskarte des Verkehrsverbundes Tirol (VVT). Dann kann sich die Fahrzeit auf bis zu 4,5 Stunden verdreifachen.

So lange ist neulich Frau Anna-Maria von Imst nach Feldkirch unterwegs gewesen: von Imst per Bus nach Landeck, mit einem weiteren Bus nach St. Anton, von dort per Zug ins Ländle. „Warum so umständlich?“, wird man fragen. „Weil mir nichts anderes übrig blieb“, lautet dazu die Antwort der Pensionistin.

Mit ihrer VVT-Jahreskarte kann die 70-jährige Anna-Maria ganz kommod um 250 Euro pro Jahr sämtliche Züge und Busse innerhalb Tirols nützen. Ein feines, günstiges Angebot, ganz ohne Zweifel.

Richtig ungut wird es aber, wenn Anna-Maria (wie natürlich auch alle übrigen Senioren mit VVT-Jahreskarte) die Grenzen des heiligen Landes überschreiten will. Sie benötigt dann zusätzlich ein Ticket für die Strecke von der Tiroler Grenze bis zum Zielort. Das hat natürlich seine Richtigkeit. Doch jetzt kommt der Haken: Eine Öffi-Fahrt mit Start in Tirol und Ziel außerhalb des Landes ist für VVT-Seniorenkartenbesitzer nur mit Unterbrechung möglich.

Soll heißen (am Beispiel einer Zugfahrt Imst–Feldkirch): in St. Anton raus aus dem Zug, zwei Stunden Däumchendrehen, dann mit dem nächsten Zug weiter ans Ziel. Gottgewollt ist das sicher nicht. So will es vielmehr eine Vereinbarung, die zwischen den ÖBB und dem VVT, man kann es nicht anders formulieren, ausgeschnapst worden ist.

Reisende mit der VVT-Jahreskarte Senior sind gut beraten, sich an diese widersinnige Regelung zu halten. Bleiben sie im Zug sitzen, anstatt an der Tiroler Grenze einen Zwangsstopp einzulegen, droht ihnen finanzielles Ungemach. Sie müssen dann den Fahrpreis für die gesamte Fahrstrecke (also auch für den Teil innerhalb Tirols) im Zug noch einmal blechen.

Schon öfter hat der TT-Ombudsmann diese ärgerliche bürokratische Barriere beim Öffi-Fahren bei den zuständigen Stellen (VVT, ÖBB) zur Sprache gebracht. Ohne große Wirkung allerdings.

Doch schon in Bälde wird sich beim VVT einiges ändern. Denn derzeit glühen dort die Taschenrechner. Die Tiroler Landesregierung, namentlich Öffi-Referentin LHStv. Ingrid Felipe, hat eine Tarifreform in Auftrag gegeben. Ab Frühjahr 2017 sollen beim VVT neue, besonders attraktive Preise gelten – nicht nur für Senioren. Erwachsene sollen ab dann das gesamte VVT-Netz um „unter 500 Euro“ nützen dürfen, so Frau Felipes Vorgabe. Bisher kostete diese Netzkarte mehr als 2000 Euro.

Felipes ursprüngliches Versprechen, ein Netzticket für erwachsene Tiroler um jährlich 365 Euro anzubieten (ein Euro pro Tag), scheiterte an Unfinanzierbarkeit. Und auch für eine Netzkarte um „unter 500 Euro“ fehlen noch einige Milliönchen, hört man aus dem Landhaus. Gut möglich, dass dann ein Preis von 499 Euro herauskommt. Das wäre ja auch unter 500 Euro.

Am günstigen Seniorenticket (250 Euro/Jahr für alle ab 62, 125 Euro/Jahr ab einem Alter von 75 Jahren) will man beim VVT festhalten, wie dessen Sprecher Philipp Jurschitz versichert. Könnte man bei der Reform nicht auch gleich den unsäglichen Zwangsstopp bei Fahrten über die Tiroler Grenze entsorgen? Hier reagiert Jurschitz wenig konkret, fast wie ein Politiker. „Diese Frage ist Gegenstand laufender Verhandlungen“, ringt er sich ab.

Wie heißt es im Fußball immer so schön? Die Hoffnung stirbt zuletzt.