Schottische Regierungschefin: Gesetz für Unabhängigkeitsreferendum
Edinburgh/London (APA/AFP) - Angesichts des drohenden Brexit will die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon die Bürger erneut über ei...
Edinburgh/London (APA/AFP) - Angesichts des drohenden Brexit will die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon die Bürger erneut über eine Unabhängigkeit Schottlands von Großbritannien abstimmen lassen. Ein entsprechender Gesetzesentwurf werde kommende Woche vorgelegt, sagte Sturgeon am Donnerstag zum Auftakt des Parteitags ihrer Schottischen Nationalpartei (SNP) in Glasgow.
Ein Londoner Gericht begann unterdessen mit der Prüfung, ob das britische Parlament bei der Umsetzung des Brexit-Votums einbezogen werden muss. „Ich bin entschlossen, dass Schottland die Fähigkeit erhält, die Frage seiner Unabhängigkeit noch einmal zu überdenken und das, bevor Großbritannien die EU verlässt“, sagte Sturgeon vor den SNP-Delegierten. Im September 2014 hatten die Schotten schon einmal über eine Unabhängigkeit von London abgestimmt. Damals votierten 55 Prozent für den Verbleib im Vereinigten Königreich.
Durch das Brexit-Referendum vom 23. Juni haben sich die Voraussetzungen allerdings grundlegend verändert. Dabei votierten insgesamt 52 Prozent der Briten für einen Austritt aus der Europäischen Union. In Schottland stimmten dagegen 62 Prozent für den Verbleib in der EU. Die britische Premierministerin Theresa May will den Austritt ihres Landes bis Ende März bei der EU beantragen, für die anschließenden Verhandlungen gilt eine Zweijahresfrist.
Sturgeon ging am Donnerstag May scharf an: „Wenn sie auch nur eine Sekunde denken, dass ich nicht das Nötige tun werde, um die Interessen Schottlands zu schützen, lassen Sie sich eines Besseren belehren.“ Sie warnte vor einem „Akt des Verfassungsvandalismus“, wenn die Regierung in London „die Stimme der Schotten und unseres Parlaments“ ignoriere.
„Der Brexit ist zu einem Tory-Brexit geworden“, sagte Sturgeon laut im Voraus verbreitetem Redetext mit Blick auf Mays konservative Partei. Diese schüre Fremdenfeindlichkeit und eifere der europafeindlichen Ukip-Partei nach. Außerdem gefährdeten die Tories Großbritanniens Zugang zum EU-Binnenmarkt.
Bei dem Brexit-Referendum sei das Kind „mit dem Bade ausgeschüttet“ worden, kritisierte Sturgeon. Die Bürger hätten im Juni sicher nicht „für das Absenken ihres eigenen Lebensstandards oder das Opfern von Jobs und Investments“ gestimmt.
Ein Sprecher der britischen Regierung erklärte zu Sturgeons Plänen für ein Unabhängigkeitsreferendum: „Die Frage wurde 2014 erörtert.“ Nun sei es vordringlich, „ein besseres Abkommen für Großbritannien“ mit der EU auszuhandeln.
In London begann am Donnerstag ein Richtergremium mit der Überprüfung der Entscheidung von Premierministerin May, bei der Umsetzung des Brexit-Beschlusses nicht das Parlament einzuschalten. Nach Ansicht der Kläger, unter ihnen eine Investmentfonds-Managerin, ein Friseur und ein in Frankreich lebender Brite, hatte die Volksabstimmung lediglich den Charakter einer Befragung und muss noch von den Abgeordneten bestätigt werden.
May warf den Klägern vor, das Brexit-Votum aushebeln zu wollen. Es schien unwahrscheinlich, dass die Richter am Ende ihrer auf drei Verhandlungstage angesetzten Beratungen der Klage stattgeben.
Vor dem Londoner High Court versammelten sich einige Demonstranten beider Lager. „Das Parlament muss abstimmen“, rief ein Mann mit einer EU-Flagge. Ein anderer verteilte Flugblätter mit der Forderung: „Haltet das Brexit-Votum aufrecht“.