„Streit um Kuhglocken wird zum Stellvertreter-Konflikt“
Das Bauernjournal kocht die Debatte um lärmgeplagte Kühe auf. Eine Schweizer Studie sei bloß Gebimmel. Kuhglocken im Ort sind häufiges Ärgernis.
Von Alexandra Plank
Innsbruck –Der Spruch von Wilhelm Busch: „Wenn über eine dumme Sache endlich Gras gewachsen ist, kommt sicher ein Kamel, das alles runterfrißt“, kann man auf die Debatte um die Kuhglocken anwenden. Die Aufregung war riesig, als eine Schweizer Studie 2014 zum Schluss kam, Kuhglocken seien für die Tiere so „laut wie ein Presslufthammer“. 2015 forderte eine Internet-Initiative ein Glockenverbot.
Auch Tirols Bauern waren in heller Aufregung, die Tirol Werbung sah den „Sound der Alpen“ in Gefahr. Heuer war es ruhig, bis die Landwirtschaftskammer das Thema aufwärmte. Die Studie liege vor und sei viel Gebimmel um wenig, hieß es im Bauernjournal. Auf der Homepage der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (EHT) kann sie heruntergeladen werden, auf Englisch. Das Fazit der Forscher ist, dass die Tiere mit Glocken den Kopf weniger bewegten, um dem Geläute zu entgehen. Laut Bauernjournal wurde verschwiegen, dass die längste Fressdauer von allen Versuchskühen ausgerechnet Kühe mit Glocken hatten, namens Biber, Darling und Zulli. Kuriosum am Rande: Die Studie gipfelte in einer Anfrage an den Bundesrat, ob die ETH nichts „Gescheiteres“ zu tun habe. Tierarzt Peter Schweiger, Vorstand des Tierschutzvereins für Tirol, spricht sich dafür aus, die Glockenfrage restlos zu klären. „Interessant wäre, wie lange die Glocken bimmeln. Kühe verbringen nur 30 Prozent der Zeit mit Fressen, 70 Prozent liegen sie, um zu verdauen.“ Bei Lärm sei auch die Dauer entscheidend. „Wenn die Tiere pro Stunde 5 bis 8 Minuten dem Läuten ausgesetzt sind, ist alles beisammen.“ Die großen Glocken, die indes bei den Abtrieben verwendet werden, seien kein Spaß für die Tiere, aber: „Das sind nur wenige Stunden, das ist kein Fall für Tierschützer.“ Klar sei für ihn, dass Schellen im Wohngebiet völlig überflüssig seien.
Tirols Lärmexperte Maximilian Ledochowski ortet beim Streit um Kuhglocken in Wohngebieten einen „Stellvertreter-Konflikt“. Die Bauern würden die Gründe verkaufen, aber nicht einsehen, dass die Zugereisten ihre Ruhe wollen. Für RA Johannes Margreiter ist der Kuhglocken-Lärm ein Problem, das wiederholt die Gerichte beschäftigt. Ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofes (2009) sagt, dass Kuhglocken während der Zeit des Weidebetriebes, vom ersten Grasbewuchs im Frühling bis in den Herbst, auch im Stall- und Auslaufbereich als ortsüblich anzusehen sind. Fraglich sei indes, ob Kuhglocken unter ortsübliche Lärmbelästigung fallen. Diese können in unmittelbarer Nähe einen Dauerschallpegel von bis zu 78 Dezibel (dB) erreichen, in 25 m Entfernung noch bis 44 dB. In Wohngebieten ist die Grenze der zumutbaren Störung am Tag mit 50 dB festgelegt (Nacht 40 dB). „Unter der Voraussetzung, dass die Kühe nur kleine Glocken tragen und ein gewisser Mindestabstand zwischen Wohnhaus und Weidefläche gewahrt ist (ca. 30 m), muss daher das Kuh-Geläute als ortsüblich hingenommen werden“, stellt Margreiter fest.