Obama geht, UNO steht still: Hat der Frieden in Nahost noch Chancen?

Jerusalem/Washington (APA/dpa) - Als Benjamin Netanyahu und Mahmoud Abbas (Abu Mazen) vor drei Wochen nacheinander an das Rednerpult in der ...

Jerusalem/Washington (APA/dpa) - Als Benjamin Netanyahu und Mahmoud Abbas (Abu Mazen) vor drei Wochen nacheinander an das Rednerpult in der UN-Vollversammlung traten, war in New York mal wieder Murmeltiertag. Rund 20 Mal haben Israels Ministerpräsident und der Palästinenserpräsident vor dem Plenum der Vereinten Nationen schon gesprochen, und mittlerweile sind ihre Vorwürfe samt der Formulierungen absehbar geworden.

Während die Welt auf Syrien schaut, fragen sich Beobachter des Nahost-Konflikts: Hat der Frieden zwischen Israelis und Palästinensern noch Chancen?

Mit Blick auf eine von den Vereinten Nationen verhandelte Lösung möchte man derzeit meinen: Nein. Zwar sollte es bei einer informellen Sitzung des Sicherheitsrats am Freitag auch um den umstrittenen Siedlungsbau der Israelis in den Palästinensergebieten gehen und darum, wie dieser die angestrebte Zwei-Staaten-Lösung beeinträchtigt. Ausgerichtet wird das Treffen auf Drängen der Palästinenser unter anderem vom derzeitigen Ratsmitglied Ägypten, doch Israel stemmt sich dagegen, den Streit auf die internationale Agenda zu heben.

Ihre monatlichen, offiziellen Treffen im Sicherheitsrat nutzen die Vertreter beider Seiten dann auch lieber für Schuldzuweisungen als für konstruktiven Dialog. „Ihr unterdrückt uns. Ihr sitzt auf unseren Leben. Lasst uns in Ruhe. Lasst mein Volk frei sein. Schande auf Euch“, wetterte der palästinensische UN-Botschafter Riyad Mansour im April etwa. „Ihr solltet den Hass beenden und aufhören, Straßen nach Terroristen zu benennen“, hielt Israels UN-Botschafter Danny Danon dagegen.

Auch hoffnungsvolle Ankündigungen aus Moskau und Paris scheinen wieder im Sande verlaufen zu sein. Russland hatte Anfang September noch erklärt, ein Treffen zwischen Netanyahu und Abbas in Moskau in die Wege leiten zu wollen. Und Frankreich hatte im Juni auf einer Nahost-Konferenz in Paris beschlossen, beide Parteien mit neuen Angeboten für direkte Verhandlungen an den Gesprächstisch zu bringen. Herausgekommen ist von beiden Bemühungen vorerst überhaupt nichts.

Und die USA, die nach dem Gefeilsche des unermüdlichen Außenministers John Kerry aufgaben, als ihr Vermittlungsversuch 2014 scheiterte? Die scheinen sich langsam zurückgezogen zu haben, meint Khaled Elgindy vom Washingtoner Brookings-Institut. Mehr noch: Barack Obama sei auf gutem Wege, der erste US-Präsident in vier Jahrzehnten zu werden, der in dem Konflikt gar keinen neuen Boden gewonnen habe. „In der Tat könnte sein Vermächtnis sehr wohl der Tod der Zwei-Staaten-Lösung an sich sein“, schreibt der Nahost-Experte.

Zumindest möglich scheint, dass Obama in seinen drei verbleibenden Amtsmonaten den Rahmenplan eines Nahost-Abkommens vorlegt, etwa in Form einer UN-Resolution. Das wäre nach den bestehenden Resolutionen von 1967 und 1973 zum Nahost-Frieden ein fast schon bürokratischer Schritt, vielleicht aber genau die Art von wachsendem Druck auf internationaler Ebene, die nötig ist.

Obama dürfte sich dann gut überlegen, mit wie viel Einsatz er den diplomatischen Scherbenhaufen aufzukehren versucht. Denn die Siedlungspolitik Israels, die das State Department in ungewöhnlich scharfen Tönen verurteilte, sind vor allem nach dem Militärhilfepaket in Höhe von 38 Milliarden US-Dollar über zehn Jahre ein Schlag ins Gesicht. „Herrn Netanyahu interessiert offenkundig nicht, was Washington denkt“, kommentierte die „New York Times“ kürzlich.

Ein mutigerer Schritt Obamas wäre, einen Staat Palästina zusammen mit 136 weiteren Ländern der Welt anzuerkennen. Das würde dem Nachfolger oder seiner Nachfolgerin ersparen, dafür politisches Kapital zu riskieren. Aber nach den wiederholten Rückschlägen, gescheiterten US-Initiativen und angesichts der äußerst schlechten Beziehungen zwischen Obama und Netayahu scheint ein pessimistischeres Szenario wohl wahrscheinlicher: dass die Baustelle namens Nahost-Konflikt an Hillary Clinton oder Donald Trump übergeben wird.