Tiroler Symphonieorchester

Fettes Pathos und krasse Gegensätze

Solist Domenico Nordio beim ersten Symphoniekonzert der Saison.
© Hauser

Innsbruck – Francesco Angelico in seiner Funktion als Dirigent des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck liebt die Gegensätze. Das zeigte ei...

Innsbruck –Francesco Angelico in seiner Funktion als Dirigent des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck liebt die Gegensätze. Das zeigte einmal mehr die Auswahl der Werke für das 1. Symphoniekonzert. Pjotr Iljitsch Tschaikowskis Symphonie Nr. 6 h-Moll op. 74 „Pathétique“ stellte er Giacomo Puccinis Intermezzo aus der Oper Manon Lescaut gegenüber. Das Violinkonzert a-Moll op. 48 des Italieners Alfredo Casella (1883–1947) wiederum war als Kontrast zu Puccini gedacht.

Die Logik, welche dahintersteckt: Die Pathétique und die Oper Manon Lescaut wurden beide im Jahr 1893 geschrieben und Alfredo Casella war neben Ravel, Mahler, Strawinski und Enescu auch mit Puccini befreundet. Zusätzliches Extra: Casellas Violinkonzert wurde in Tirol noch nie aufgeführt. Angelico besitzt es definitiv, das Gespür für das Idiom Puccinis, für die subtile Klangdelikatesse, für die theatralischen Effekte. Man spürte sie förmlich, diese spezifisch fraulichen Qualitäten der verführerischen, koketten und doch so fragilen Manon Lescaut mit der verhängnisvollen Zukunft vor Augen.

Alfredo Casella, Pianist, Komponist, Journalist, seine fehlende Distanz zum Faschismus ließ sein Werk in Vergessenheit geraten. Doch Casella, der Wiederentdecker der Werke Vivaldis, ist ebenfalls dabei, wiederentdeckt zu werden. In seinem exzellent orchestrierten Violinkonzert vereinen sich die Klangsprachen Mahlers, Strawinskis, Hindemiths und Bartoks. Ein Meister der Gegensätze sozusagen: rhythmisches Sperrfeuer im Wechsel mit spätromantischen Allüren. Hinter jedem Taktstrich lauern harmonische und formale Überraschungen. Allein die Länge des Werkes sorgte für Ermüdungserscheinungen.

Technisch äußerst anspruchsvoll war das Werk mit Domenico Nordio als Solist in allerbeste Hände gelegt. Pathos in der „Pathétique“, Angelico unterstreicht es ganz dick! Präzise Detailarbeit, packende Vitalität und im qualvollen Schlusssatz – Schmerz ohne Sentimentalität. Die Nähe zu Manon Lescaut: Sich einer aussichtslosen Zukunft bewusst, verbleibt die Hoffnung auf Erlösung. Vom Tiroler Symphonieorchester bestechend realisiert! Erfrischend frohe barocke Klangpracht servierte die Jugendphilharmonie der Musikschule Innsbruck im Vorkonzert mit Georg Friedrich Händels „Einzug der Königin von Saba“. Hochkonzentriert wurde auch die Spannung in Johann Sebastian Bachs Air aus der 3. Orchestersuite gehalten. (hau)