SPÖ segnet CETA ab: Lob von der Wirtschaft, Kritik von NGOs
Österreich werde das Abkommen der EU mit Kanada unterschreiben, erwarte sich aber im Ratifizierungsprozess eine Klärung noch offener Fragen, sagte Bundeskanzler Christian Kern.
Wien - Die mit Spannung erwartete Sitzung des SPÖ-Parteipräsidiums zum Thema des umstrittenen EU-Kanada-Freihandelsabkommens CETA hat als Ergebnis ein „Ja, aber" gebracht. Österreich werde den Ratifizierungsprozess nicht behindern, sagte SPÖ-Chef Bundeskanzler Christian Kern nach der Sitzung. „Aber Österreich verlangt weitere Klärungen im Zuge des Ratifizierungsprozesses."
ÖGB-Foglar weiter dagegen
Die Entscheidung dürften sich die Granden der Sozialdemokraten nicht leicht gemacht haben. Vor der Sitzung sprach sich ÖGB-Präsident Erich Foglar gegen eine Zustimmung aus - und blieb auch danach dabei. CETA sei „nicht zustimmungsreif". Die jüngsten Verbesserungen am Vertrag seien zwar anzuerkennen, aber nicht ausreichend.
„Die Bundesregierung wird ermächtigt, den Vertrag zu unterfertigen aber damit gehen Bedingungen einher", sagte Kern. Dies trotz bisheriger Verbesserungen im Zuge von Formulierungen im Beipacktext zu CETA, über die Kern minutenlang referierte. Die noch vorhandenen Vorbehalte sind offensichtlich nicht groß genug, dass die SPÖ nun „Nein" gesagt hätte. Jedenfalls müsste - analog zum gestrigen Urteil der deutschen Verfassungsrichter - die vorläufige Anwendung des CETA-Vertrages auch wieder beendet werden können, betonte der Kanzler, der dies festgelegt wissen will.
„Statut der Gerichtshofe ist noch nicht ausreichend bekannt"
„Auch bei den Investitionsgerichten gibt es noch einige Fragezeichen", betonte Kern. „Das Statut der Gerichtshöfe ist noch nicht ausreichend bekannt." So müsse die Unabhängigkeit der Richter und der Entscheidungen sichergestellt werden. Nun will der Bundeskanzler „weitere Klärungen im Ratifizierungsprozess im Interesse Österreichs und der Wirtschaft" sicherstellen und kündigte dahingehend „harte Diskussionen" an. „Die offenen Fragen müssen geklärt werden, bis es zu einer positiven Ratifizierung im österreichischen Parlament kommen kann", so Kern.
Zu TTIP merkte Kern an, dass dieses etwaige USA-EU-Handelsabkommen derzeit nicht bejaht werden könne. Der Kanzler sagte auch, dass er kein Freund dieser „Freihandelsabkommen neuen Typs" sei. Unter dem „Deckmantel" des Freihandels könnten zu viele Prozesse festgelegt werden, so die Warnung. Daher verstehe er die Skepsis der Menschen. Und daher sei es wichtig, dass in den Verhandlungen zu CETA „viel erreicht" worden sei, so Kern über Verbesserungen in der CETA-Zusatzerklärung.
Mitterlehner: "Stolpersteine weggeräumt"
Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) sieht nach der SPÖ-Entscheidung den Weg für CETA frei. "Aus meiner Sicht sind jetzt die Stolpersteine weggeräumt. Ich bin froh, dass wir hier eine gemeinsame Linie gefunden haben", so der Wirtschaftsminister.
Mitterlehner meinte aber, dass das Finden der gemeinsamen Regierungslinie mit "viel Mühe" verbunden gewesen wäre. "Wir hätten es uns einfacher machen können", sagte Mitterlehner. Viele Punkte der Diskussion seien Behauptungen gewesen, die schon im Vertrag widerlegt worden seien. Es seien nun lediglich Interpretationsspielräume eingeengt worden.
Einen "kleinen, auch noch zu überwindenden" Stolperstein gebe es in Belgien, sagte Mitterlehner. Dort hatte das wallonische Regionalparlament heute gegen CETA votiert. Der ÖVP-Chef geht aber davon aus, dass die Handelsminister nächsten Dienstag in Luxemburg CETA absegnen. Der Zeitplan sei jedenfalls nicht in Gefahr. Es gebe sonst auch zeitnah noch einen EU-Rat, also ein Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der EU.
Mitterlehner warb einmal mehr für den Handelspakt. Es sei dies eine "Win-Win-Situation" sowohl für Kanada als auch die EU. Er räumte allerdings ein, dass man das Abkommen gegenüber der Bevölkerung schon früher besser kommunizieren hätte sollen.
FPÖ: "Kniefall vor der EU"
Die FPÖ sieht in der SPÖ-Entscheidung hingegen einen "Kniefall vor der EU". Kern habe sich damit "endgültig entzaubert". Kern "und seine Genossen" hätte damit "bewiesen, dass ihnen die Interessen der heimischen Bauern, Arbeitnehmer, Konsumenten sowie Unternehmer herzlich egal sind", scheibt Johannes Hübner, außen- und europapolitischer Sprecher der FPÖ. Die FPÖ werde im EU-Unterausschuss des Nationalrates beantragen, dass die Regierung gegen CETA stimmt, auch wenn man wisse, "dass die vom transatlantischen Geist durchdrungene ÖVP unseren Antrag ebenso wie die SPÖ ablehnen wird".
Der Grüne Vizeklubobmann und Europasprecher Werner Kogler hat die "kritischen Standpunkte" von Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern zwar anerkannt. "Aber mit dem Beipackzettel und den Karlsruher Höchstgericht-Sprüchen sind diese Bedenken nicht weggeräumt", sagte Kogler.
Aus Koglers Sicht bringt eine Umsetzung von CETA zwar "keinen Weltuntergang". Aber beim Vorsorgeprinzip gebe es Doppelbödigkeiten im Vertragstext. So widerspreche der sogenannte wissenschaftsbasierte Ansatz bei Zulassungsmethoden im Biotechnologiebereich dem Vorsorgeprinzip. Die Kritik des Oppositionspolitikers an den Ausführungen von Kern ist, dass nur der ganze CETA-Vertrag vom Nationalrat angenommen werden könne - "inklusive Schiedsgerichte", sagte er.
Kritik von Greenpeace, Attac, Global 2000
Bundeskanzler Christian Kern habe mit der heutigen Entscheidung gezeigt, dass er "entgegen seinen Versprechen nicht bereit ist, mit der europäischen Politik im Interesse der Konzerne zu brechen", schreibt Alexandra Strickner von Attac Österreich in einer Aussendung. Der Widerstand gegen CETA werde aber in Europa und in Österreich weitergehen.
Greenpeace fordert trotz der angekündigten Zustimmung der SPÖ die österreichische Bundesregierung auf, CETA nächste Woche keinesfalls zuzustimmen. "Das Abkommen in der vorliegenden Form gefährdet immer noch Umweltstandards und die Qualität der öffentlichen Daseinsvorsorge", schreibt Greenpeace-Geschäftsführer Alexander Egit. Greenpeace werde den Kampf gegen CETA auf allen Ebenen weiterführen.
Global 2000 sieht in der Entscheidung "eine vergebene Chance und herbe Enttäuschung". "Wir werden jedoch keinesfalls unseren Widerstand gegen CETA aufgeben und wenn wir die Gefahren dieses Handelsabkommens noch tausendmal wiederholen müssen", so Heidemarie Porstner, CETA- & TTIP-Sprecherin von GLOBAL 2000.
Lob von Wirtschaft und NEOS
Erfreut zeigen sich die NEOS. "Dieser vernünftige Schritt ist eine willkommene Abwechslung", nachdem es vorher "peinlichen Umfrage-Populismus und irgendwelche Alibi-Forderungen zu Zusatzerklärungen" gegeben habe, schreibt NEOS-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn in einer Aussendung. "Dass erneut zusätzliche Klärungen gefordert werden, dürfte als Beruhigungspille für die SPÖ-Mitglieder dienen." Kern habe "in letzter Sekunde seine Glaubwürdigkeit und letztendlich auch den Ruf Europas als verlässlicher Partner in der Welt gerettet."
"Bundeskanzler Christian Kern und das SPÖ-Präsidium haben mit ihrer Zustimmung zu CETA heute letztendlich doch noch die richtige Entscheidung getroffen: für den Standort, für die Exportwirtschaft und damit vor allem für die Arbeitsplätze in unserem Land", darf sich der SPÖ-Chef auch über Lob der Industriellenvereinigung freuen. "Wir zollen Bundeskanzler Kern sowie dem SPÖ-Präsidium Respekt, dass sie sich schließlich gegen Populismus und für die Chancen von CETA ... entschieden haben", schreibt IV-Präsident Georg Kapsch.
Mit "Großer Erleichterung" reagiert WKÖ-Vizepräsident Jürgen Roth: "Mit dem Ende der Blockadehaltung bei CETA hat der Bundeskanzler dem Exportland Österreich sowie den österreichischen Unternehmen und ihren Beschäftigten einen guten Dienst erwiesen." Nun sei in Österreich "die Rückkehr zu einer sachlichen und faktenbasierten Diskussion über CETA und über die Vorteile von Freihandel ganz allgemein dringend geboten". (APA, TT.com)