USA und Russland verhandeln wieder über Syrien

Lausanne/Damaskus (APA/dpa) - Mit einem Mal wird der Wahnsinn des Syrien-Kriegs wieder ganz deutlich. Während die Teilnehmer neuer Friedensg...

Lausanne/Damaskus (APA/dpa) - Mit einem Mal wird der Wahnsinn des Syrien-Kriegs wieder ganz deutlich. Während die Teilnehmer neuer Friedensgespräche gerade unterwegs sind zum Tagungsort Lausanne, spricht Machthaber Bashar al-Assad in Damaskus über Eroberungen und das Liquidieren von Gegnern. „Die Einnahme von Aleppo wird ein Sprungbrett zur Befreiung weiterer Städte von Terroristen“, sagt Assad einer Moskauer Zeitung.

Der „Geruch des Dritten Weltkriegs“ liege in Syrien in der Luft. Es klingt nicht wie ein Zeichen der Hoffnung - vor Gesprächen der USA, Russlands und von Regionalmächten an diesem Samstag in der Schweiz.

Im Kern der Verhandlungen geht es um eine einfache Frage: Sind alle Beteiligten bereit, eigene militärische Ziele für eine gemeinsame politische Lösung in Syrien aufzugeben? „In Lausanne haben die Teilnehmer die Chance, Geschichte zu schreiben“, meint der Politologe Dmitri Trenin vom Moskauer Carnegie-Zentrum. Russland und die USA müssten endlich einsehen, dass ein Separatfrieden unmöglich sei. „Ein Weg aus der Sackgasse ist nur gemeinsam zu erreichen“, sagt er. Ein Minimalkompromiss in Lausanne: Das wäre wohl schon ein Erfolg.

Es ist noch gar nicht lange her, da saßen die Großmächte schon einmal in der Stadt am Genfer See und rangen im französischsprachigen Teil der Schweiz um gemeinsame Worte für ein Atomabkommen mit dem Iran. Damals, im April 2015, gelang schließlich der Durchbruch.

Doch der Weg scheint steinig. Im Streit um Syrien sagte Präsident Wladimir Putin zuletzt eine Reise nach Paris ab. Mit der Verlegung von Iskander-Kurzstreckenraketen nach Kaliningrad verunsicherte Moskau vor kurzem die NATO-Mitglieder im Baltikum. Russland denkt zudem an die Wiederbelebung von Militärbasen auf Kuba und in Vietnam.

Der Westen wiederum spricht von russischen „Kriegsverbrechen“ in Syrien und erwägt weitere Sanktionen gegen Moskau. Neue Gespräche über den Ukraine-Konflikt kommen nicht in Gang. Und die USA werfen Russland eine massive Einmischung in den Präsidentenwahlkampf vor. „Zu Verhandlungsergebnissen ist Vertrauen nötig. Leider ist es nicht in Sicht“, sagt der Moskauer Sicherheitsexperte Wladimir Sotnikow.

Offen ist sogar, ob sich die Außenminister John Kerry und Sergej Lawrow bilateral treffen werden. Washington hatte zweiseitige Gespräche mit Moskau über Syrien vor kurzem offiziell eingestellt.

Die USA geben sich vor dem Treffen in Lausanne weiter sperrig bis zugeknöpft und sind geradezu bemüht, keine zu hohen Erwartungen zu wecken. In welchem Format in der Schweiz geredet werde? Man arbeite daran. Wer genau wird mit am Tisch sitzen? Wird noch verhandelt.

Was auch immer das US-Außenministerium kurz vor der neuen Runde gefragt wird: Zurückhaltung und Vorsicht dominieren. Kerrys Sprecher Mark Toner sagt, die USA wollten lieber in Genf und lieber in kleineren Zusammensetzungen verhandeln - das Ergebnis könne man ja danach mit den europäischen Partnern weiter bereden. Das Treffen in London allerdings, wohin Kerry am Sonntag weiterreisen wird, habe eine eigene Agenda. Und welche? Das werde man sehen.

Das klingt alles eigentümlich unklar. Oder man ist in Wirklichkeit schon einen Schritt weiter, will aber nichts sagen. Was vor Lausanne verbreitet wurde, war exakt auf der Linie der bisherigen Position Washingtons - einschließlich der Vorwürfe mangelnder Glaubwürdigkeit an die Adresse Moskaus.

Russland werde in Lausanne keine neuen Vorschläge unterbreiten, kündigt Außenminister Lawrow an. Alles stehe bereits in früheren Vereinbarungen mit den USA. Die Tageszeitung „Kommersant“ spekuliert dennoch über ein mögliches „Ass im Ärmel der russischen Delegation“. Demnach sollen sich Putin und sein türkischer Kollege Recep Tayyip Erdogan beim Besuch des Kremlchefs in Istanbul zu Wochenbeginn auf eine gemeinsame Syrien-Position verständigt haben. Es sei aber fraglich, kommentiert die Zeitung, ob die „türkische Karte“ die Gespräche wirklich erleichtere - oder weiter erschwere.