Der Bischof und die sieben Päpste - Helmut Krätzl blickt zurück
Wien (APA) - Sieben Päpste hat Helmut Krätzl erlebt. Zu jedem hat er sich ausgiebig Gedanken gemacht. In „Meine Kirche im Licht der Päpste“ ...
Wien (APA) - Sieben Päpste hat Helmut Krätzl erlebt. Zu jedem hat er sich ausgiebig Gedanken gemacht. In „Meine Kirche im Licht der Päpste“ (Tyrolia) sinniert der emeritierte Weihbischof darüber, wie diese Persönlichkeiten - einschließlich Franziskus - die römisch-katholische Kirche geprägt haben. Und auch sanfte Kritik spart der intellektuelle Brückenbauer zu seinem 85. Geburtstag da und dort nicht aus.
Von Pius XII., der die Kirche noch absolutistisch regierte, bis zu Franziskus, der eine arme, dienende Kirche predigt und lebt - Krätzl hat in dieser Zeit sieben Päpste erlebt und beobachtet, dass diese die Kirche in den Jahren ihres Pontifikats deutlich geprägt haben. Sein neues Buch ist weit mehr als eine Sammlung von Gedanken, es dient auch als praktisches Nachschlagewerk samt Fakten und Porträts.
Nicht selten war Krätzl - so erinnert er sich - überrascht von den Personalentscheidungen des Vatikans. Dies beginnt bei der Wahl von Johannes XXIII., dem ersten Papst, dem er die Hand schütteln durfte. Nicht nur dessen Statur („alt, klein und wohlbeleibt“) hat bei dem damaligen Studenten Eindruck hinterlassen - vielmehr wohl dessen Ankündigung des Zweiten Vatikanischen Konzils, wo der damalige Student Krätzl als Stenograf arbeitete durfte.
Mehr als nur der „Pillenpapst“ war für Krätzl Paul VI., der laut dem Autor das Konzil „rettete“ und diesem eine neue Gestalt gab. Dennoch sollten die Konflikte rund um die umstrittene Enzyklika Humanae Vitae, die jeder Form der Empfängnisverhütung eine Absage erteilt hatte, das Bild trüben. Schuld daran war nicht zuletzt die Mariatroster Erklärung unter Kardinal Franz König, welche das Glaubensreglement infrage stellte. Am Ende gibt sich Krätzl dennoch versöhnlich.
Die nächste Überraschung - nicht nur für den Autor: Papst Johannes Paul I., der nach 33 Tagen im Amt starb. „Als ich am 28. September noch halb schlaftrunken die Morgennachrichten im Radio hörte, war ich ganz verwirrt“, schreibt Krätzl und weiter: „Sie sagten nämlich, der Papst sei gestorben. Aber das war doch schon am 6. August?“ Verschwörungstheorien erteilt Krätzl jedoch eine Absage. Der „lächelnde Papst“ sei bereits zum Amtsantritt gesundheitlich stark angeschlagen gewesen.
Verständlich, dass der als weltoffen geltende Krätzl vor allem Johannes Paul II. viel abgewinnen konnte - dem „Papst, der mein Bischofsleben am meisten beeinflusst und geprägt hat“. Mehrere offene Fragen formuliert er hingegen, die er noch an Benedikt XVI. hätte - etwa, ob die heftigen Reaktionen auf dessen Mohammed-Zitat nicht vorauszusehen waren, ebenso wie zur ebenso umstrittenen „Begnadigung“ der Piusbrüder. Aber auch über dessen mögliche Rücktrittsgründe sinniert der Autor.
Optimistischer klingt Krätzl wieder, wenn er vom amtierenden Heiligen Vater, Franziskus, spricht. „Jorge Mario Bergoglio lehrte mich, die Kirche in neuen Bildern zu sehen“, gibt sich der Autor auch in seinem 86. Lebensjahr keineswegs starrsinnig, sondern - wie bei Krätzl gewohnt - lernfähig und progressiv.
Anhand von wichtigen Entscheidungen und Aussagen dieser Päpste, aber mehr noch vor dem Hintergrund persönlicher Wahrnehmungen und Begegnungen zeichnet Helmut Krätzl in seinem neuen Buch den Weg der Kirche seit dem Zweiten Weltkrieg nach. Dabei verknüpft er als einer der letzten Zeitzeugen des Zweiten Vatikanischen Konzils gekonnt weltkirchliche Entwicklungen mit der österreichischen Kirchengeschichte, die er in seinen bald 40 Jahren als Weihbischof hautnah miterlebt und mitgestaltet hat.
(S E R V I C E - Helmut Krätzl: „Meine Kirche im Licht der Päpste. Von Pius XII. bis Franziskus.“, Tyrolia 2016, 208 Seiten; 19,95 Euro.)