Ski alpin: Gut geht als „wahre Lara“ und Titelverteidigerin in Saison
Wien/Saas-Fee (APA) - Skirennfahrerin Lara Gut geht erstmals als Titelverteidigerin in eine Weltcup-Saison. Dass sie deshalb im kommenden Wi...
Wien/Saas-Fee (APA) - Skirennfahrerin Lara Gut geht erstmals als Titelverteidigerin in eine Weltcup-Saison. Dass sie deshalb im kommenden Winter mit der Heim-WM in St. Moritz Favoritin ist, glaubt die Schweizerin aber nicht. „Ich habe weder Vor- noch Nachteile, wenn ich in Sölden als Gesamtweltcupsiegerin am Start stehe. Die Zeitmessung steht für alle auf null“, sagte sie vor dem Saisonstart im APA-Exklusiv-Interview.
Die 25-jährige Gut hat im ersten Sommer seit ihrem vergangenen März sicher gestellten Gesamtsieg wie die Konkurrenz auch in Südamerika trainiert und kommt bestmöglich vorbereitet zum traditionellen Gletscher-Auftakt am kommenden Samstag nach Sölden. Dort hat die fünfsprachige Tessinerin im Vorjahr als Riesentorlauf-Vierte ihre Erfolgs-Saison eingeläutet.
Der Erfolgslauf kam freilich in einem Winter, der von einigen Ausfällen und Abwesenheiten prominenter Gegnerinnen gekennzeichnet war. Anna Veith (Fenninger) und Tina Maze fehlten ganz, die starken US-Amerikanerinnen Mikaela Shiffrin und Lindsey Vonn zeitweise. Es ist das Einzige, was den erstmaligen Gesamtsieg des einstigen „Wunderkindes“ oberflächlich betrachtet etwas relativiert, obwohl Gut mit dem ersten schweizerischen Gesamtsieg seit Vreni Schneiders letztem Coup in der Saison 1994/1995 Historisches geleistet hat.
21 Jahre lang hatte die große Skination, die vor allem in den 1980er-Jahren dank Marie-Theres Nadig, Erika Hess, Michela Figini, Maria Walliser sowie Schneider den Damen-Weltcup beherrschte, auf den nächsten Gesamtsieg warten müssen. Auch das Supertalent Gut hatte sich nach raschen Erfolgen am Beginn, als sie sich den Titel „Lara sehr Gut“ erarbeitete, gedulden und auch eine schwere Hüftverletzung überwinden müssen, bis sie vergangenen Winter ihr großes Versprechen einlösen konnte.
Deshalb ficht Gut das Fehlen einiger Konkurrentinnen auch überhaupt nicht an. „Das ist so. Jeder Weltcup steht für sich. Athleten sind verletzt, hören auf. Dafür kommen neue, die zu Siegerinnen werden, nach“, sieht die Schweizerin keinen Grund, sich deshalb weniger zu freuen. Außerdem sei es etwas respektlos gegenüber anderen Konkurrentinnen so zu tun, als ob keine Konkurrenz da gewesen wäre, betonte die Schweizerin im Interview mit der österreichischen Presseagentur.
Vor allem dass ihr die Schweiz trotz ihrer sprachlichen Vielfältigkeit sowie den Mentalitätsunterschieden am Ende einheitlich die Daumen gedrückt hatte, beeindruckt die blonde Rennläuferin aus Sorengo am Luganer See heute noch. „Das war schon speziell und hat mir viel supergute Motivation mitgegeben.“
Gut trainiert zwar auch mit dem Schweizer Damenteam, hat sich aber unter Leitung ihres Vaters Pauli Gut von Beginn an als Privatteam organisiert und diesen Sommer auch mit den norwegischen und italienischen Herren in Südamerika Speed trainiert. Mit ihrer Selbstständigkeit ist Gut anfangs immer wieder auch beim Verband angeeckt. Bisweilen so heftig, dass sie sogar für Rennen gesperrt wurde. Nicht zuletzt dadurch hat sie sich den Ruf erarbeitet, „schwierig“ zu sein.
Das ist Gut durchaus bewusst, gibt sich heute aber wesentlich offener und entspannter. Sie habe vor allem am Anfang ihrer Karriere Fehler gemacht. „Als ich mit 16 in den Weltcup kam, war ich ein Kind“, erklärte sie. Weil rasch Erfolge da waren, sei sie von den Ereignissen etwas überrollt worden. „Es gibt ja kein Buch, in dem steht, wie man sich richtig verhält. Und irgendwann hatte ich das Gefühl, mich schützen zu müssen“, gesteht Gut heute Fehler und auch Missverständnisse aufgrund ihrer Vielsprachigkeit ein.
Heute sei sie wesentlich offener, obwohl sie als einzige Skirennläuferin neben ihrer Hauptsprache Italienisch nach wie vor Pressekonferenz auch in Deutsch, Englisch und Französisch gibt. „Das ist nach wie vor eine Challenge“, so Gut. Aber jetzt habe ich Leute um mich, die das verstehen und organisieren“, ist die viel und gerne lachende Olympia-Abfahrtsdritte von 2014 mittlerweile auch bei diesem Thema souverän. „Ich habe das Gefühl, die Leute lernen langsam die wahre Lara Gut kennen.“
Gut freut vor allem, dass Veith wieder mitmischt. „Ich habe sie auch als Freundin sehr vermisst“, sagt sie über die Olympiasiegerin aus Salzburg, die vor Gut zwei Saisonen lang den Weltcup beherrscht hat, ehe sie sich schwer verletzte. Dass Veith wie sie selbst zuletzt auch mit dem heimischen Verband Querelen hatte, hat Gut natürlich mitbekommen und mit ihrer österreichischen Freundin auch darüber gesprochen. „Aber das ist nichts für die Öffentlichkeit.“
Dass vergangenen Winter im am Ende dramatischen Kugel-Kampf vor allem das Duell mit Lindsey Vonn medial etwas entglitten ist, ist noch in bester Erinnerung. Doch Gut bleibt dabei: „Es wurde zum Duell geschrieben, dabei stimmte das so überhaupt nicht. Das haben wir beide auch gesagt. Im Skirennsport führst du zuerst einen Kampf gegen dich selbst und nicht gegen andere.“ Athletinnen wie Vonn seien wichtig, weil sie den Sport weiterbrächten. „Das motiviert auch mich, täglich mein Bestes zu geben.“
Guts erster Gesamtsieg kam gleich im ersten Winter nach dem Wechsel von Rossignol zu Head. Skiern, auf denen in den vergangenen neun Jahren acht Mal die Gesamtsiegerin stand. Weiter geht es nun mit der gleichen Skimarke aber neuem Servicemann (Thomas Rehm), nachdem Chris Krause wieder bei Bode Miller gelandet ist. Den Slalom nutzt die hauptsächliche Vier-Disziplinen-Fahrerin Gut weiterhin nur für die Kombi bzw. als Trainingselement, um spritzig zu bleiben.
Dass im kommenden Winter ihre Heim-WM in St. Moritz ansteht, sollte ein gutes Omen sein. Gut hat vier WM- sowie eine Olympia-Medaille gewonnen, aber noch nie stand sie bei Titelkämpfen ganz oben, auch nicht bei den Junioren. Auf einer „Gold-Mission“ sieht sich Gut deshalb aber nicht, auch wenn Moritz ein besonderer Ort ist. Dort holte sie 2008 ihr erstes Podest und den ersten Sieg, vergangenen März wurde ihr dort die große Kugel überreicht.
„Es ist ein Riesenglück, einmal in der Karriere eine Heim-WM zu haben. Aber es bringt dir nichts, schon jetzt daran zu denken“, winkt sie ab. „Ich kann bis Februar nur etwas beeinflussen, wenn ich mich auf die tägliche Arbeit konzentriere. Denn auch ein Sieg zählt nur für einen Tag“, hat sie sich vorgenommen, auf ihr bewährtes Rezept zu vertrauen.
Und das heißt neben der täglichen Arbeit vor allem, stets zu versuchen, das Beste zu geben. „Mein Fokus liegt auf dem, was ich zwischen Start und Ziel auf den Ski machen kann“, so Gut. „Aber wenn irgendwann auch noch Gold dazu kommt, sage ich sicher nicht nein.“
Lara Gut ist nicht nur wegen ihrer Vielsprachigkeit eine außergewöhnliche Skifahrerin. Sie hat schon eine Hauptrolle in einem Film („Tutti giu“) gespielt und kommentiert ab und an auch die Weltlage wie etwa vor Olympia 2014 in Russland. Das Gefühl, ihre weitere Karriere jetzt schon planen zu müssen, hat sie aber nicht. „Dafür fühle ich mich noch zu jung.“
Als „prinzipiell neugieriger“ Mensch könne sie sich aber später eine Tätigkeit in Marketing und Kommunikation vorstellen. Zum Thema Unternehmensführung habe sie durch ihr Privatteam bereits viel gelernt. „Vielleicht“, so Gut, gibt es aber in fünf Jahren Jobs, die wir heute noch gar nicht kennen.“
Zwei Dinge verschlagen Gut heute noch die Sprache. Etwa, wenn sie schlecht Ski gefahren ist. „Und was ich gar nicht mag, ist Neid.“ Ihr Lebensmotto täte auch der Umgebung gut, ist sie überzeugt. „Ich probiere immer, mein Bestes zu geben. Es wäre schön, wenn wir das alles täten. Dann würden wir der Welt sicherlich helfen, in die richtige Richtung zu gehen.“
(Service-Hinweis: Bilder von Lara Gut sind im AOM abrufbar)