Treffen in Innsbruck: Kapuziner suchen Identität
Die Zukunft des Ordens auf dem Prüfstein: Bei einem Treffen der drei ranghöchsten Kapuziner im deutschen Sprachraum in Innsbruck wurden Weichen gestellt.
Von Michaela S. Paulmichl
Innsbruck –Es war ein kleines Gipfeltreffen, das dieser Tage in Innsbruck stattfand: Die drei Ordensoberen der Kapuzinerprovinzen Österreich und Südtirol, Deutschland sowie der Schweiz kamen zusammen, um über Entwicklungen, Zukunftsperspektiven und nötige Maßnahmen zu sprechen. „Wir leben in einer Zeit der Umbrüche in Gesellschaft und Kirche, und sie ist noch nicht vorbei. Wir wollen nicht warten, sondern gemeinsam aktiv werden. Es braucht klare Entscheidungen, die auch weh tun“, sagt Marinus Parzinger, Provinzial in Deutschland.
Die Kapuziner siedelten sich im 16. Jahrhundert in Europa an. In der Zwischenkriegszeit und nach dem Zweiten Weltkrieg, als viele Orden einen Aufschwung erlebten, gab es bis zu viermal so viele Brüder wie heute und auch keine Nachwuchssorgen. Das Kloster in der Innsbrucker Innenstadt, Sitz der Provinzleitung für Österreich und Südtirol, beherbergt die größte Gemeinschaft in der Kapuzinerprovinz Österreich und Südtirol, 16 Brüder leben heute dort, in den anderen 16 Niederlassungen sind es zwischen drei und zwölf. Einige Standorte wurden – wie in Tirol zuletzt in Imst – bereits aufgelassen, weitere werden folgen: „Wir werden älter und weniger. Unsere Häuser, Werke und Aufgaben aber sind eher gewachsen, wir müssen sie an unsere personelle Situation anpassen“, sagt der Ordensobere Lech Siebert. Das bedeute, Standorte zu verlassen, sich auf wenige zu konzentrieren.
Die Gemeinschaften werden kleiner, doch kreative Ideen sollen sie wieder wachsen lassen: Enger zusammenrücken, sich zurückziehen und gleichzeitig öffnen, lautet der Leitsatz. Viele Beispiele zur Wiederbelegung und Nutzung sich leerender Klöster wurden besprochen, bei allen geht es darum, die lange Zeit verborgene Welt hinter den hohen Mauern zugänglich zu machen. Da sind etwa die Klöster zum Mitleben – Rückzugsorte für gestresste Berufstätige oder für Studenten, die dort in Ruhe lernen können, so ein Angebot in Deutschland. Der aus der Schweiz angereiste Provinzial Agostino del Pietro erzählt von einem Projekt in Luzern: Im dortigen Kloster wurden Wohnungen für Menschen eingerichtet, die das Bedürfnis haben, am Leben der Brüder teilzunehmen.
Viele der großen Klostergärten werden geöffnet – aus der Not heraus, wie etwa in Deutschland, wo die Menschen einer benachbarten Einrichtung für psychisch Kranke die Gartenarbeit übernommen haben. Alle profitieren davon. Generell haben viele Brüder ihre Leistungsgrenzen überschritten, in Deutschland gibt es einen Grundsatzbeschluss, die Arbeit zu reduzieren.
In Luzern legen die Bewohner neben dem Kloster Schrebergärten an, und in Innsbruck spielen Kindergartenkinder und gehen Bewohner des benachbarten Altenheims spazieren.
„Die Menschen kommen, um aufzutanken“, sagt Bruder Agostino. „Viele sind getrieben und suchen die Stille, aber auch die Sehnsucht nach Spiritualität ist groß“, ergänzt Marinus. Die Angebote sind auch eine Reaktion auf Fragen wie: „Was brauchen die Menschen heute von uns? Welche Bedeutung haben wir im 21. Jahrhundert? Wer sind wir geworden und wer wollen wir sein?“ Die Provinzen befinden sich mitten in einem gemeinsamen Identitätsprozess.
Lech Siebert: „Die Menschen suchen nach Begleitung und nach Räumen, wo sie leben können, wonach sie sich sehnen – in guten Beziehungen in einer Gemeinschaft. Ein Kloster steht für diese Lebensform.“ – „Es ist wohl die ,Aura des Wohlwollens‘, die selbstlose Art zu leben, die viele fasziniert“, meint Ferdinand Kaineder, Sprecher der Ordensgemeinschaften Österreich.
Welche Klöster bleiben, welche werden geschlossen? Provinzial Lech nennt weder Datum noch Namen, doch die Grundsatzentscheidungen seien gefallen. „Wir können nicht warten, bis in jedem Kloster nur noch ein Kapuziner lebt.“ Marinus: „Natürlich klagen die Leute, sie sind traurig und fühlen sich im Stich gelassen. Aber viele Brüder sind über 80, wir können nicht einfach zuschauen und nichts tun!“