Schottische Regierungschefin glaubt fest an Unabhängigkeit von London

Glasgow/London (APA/AFP) - Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon hält wegen des Brexit-Kurses der britischen Regierung eine Unabh...

Glasgow/London (APA/AFP) - Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon hält wegen des Brexit-Kurses der britischen Regierung eine Unabhängigkeit Schottlands für wahrscheinlicher denn je. „Ich habe nie daran gezweifelt, dass Schottland eines Tages ein unabhängiges Land wird“, sagte Sturgeon am Samstag.

Sie glaube daran „heute stärker als je zuvor“, fügte sie hinzu und bezeichnete ein neues Unabhängigkeitsreferendum als „sehr wahrscheinlich“.

Sturgeon sprach ihre deutlichen Worte zum Abschluss des Parteitags ihrer Schottischen Nationalpartei (SNP) in Glasgow. Die Wähler des Vereinigten Königreichs hatten am 23. Juni beim Brexit-Referendum knapp für den EU-Austritt gestimmt. Die Schotten allerdings votierten mit 62 Prozent für einen Verbleib - ihnen droht nun aber, gemeinsam mit dem Rest des Königreichs den Staatenbund verlassen zu müssen.

Sie werde sich dafür einsetzen, dass Schottland weiter Zugang zum europäischen Binnenmarkt habe, auch wenn Großbritannien die EU verlasse, sagte Sturgeon. „Aber wenn die Tory-Regierung diese Bemühungen ablehnt, wenn sie darauf beharrt, Schottland auf einen Weg zu bringen, der unserer Wirtschaft schadet, Jobs kostet, unseren Lebensstandard senkt und unserem Ruf als offenes, einladendes, vielfältiges Land schadet - dann habt keinen Zweifel“, sagte sie mit Blick auf ein Unabhängigkeitsreferendum.

„Schottland muss die Fähigkeit haben, eine bessere Zukunft zu wählen, und ich werde sicherstellen, dass Schottland diese Chance bekommt“, sagte die Regierungschefin. Sie wisse sehr gut, dass eine Unabhängigkeit nur dann zustande komme, wenn die Mehrheit der Bürger der Meinung sei, dass diese auch der beste Weg für die Zukunft sei. In einem ersten Referendum hatten die Schotten 2014 eine Unabhängigkeit von London abgelehnt - mit dem Brexit-Votum der Briten änderten sich die Voraussetzungen aber grundlegend.

Sturgeons Partei SNP will nun in der kommenden Woche einen Gesetzentwurf für ein erneutes Unabhängigkeitsreferendum ins Parlament einbringen. Sturgeon räumte aber auch ein, dass eine Unabhängigkeit von Großbritannien „ihre eigenen Herausforderungen“ mit sich bringe. Eine davon dürfte sein, andere EU-Länder, die ebenfalls mit Unabhängigkeitsbewegungen konfrontiert sind, von einem souveränen Schottland zu überzeugen.

Die britische Premierministerin Theresa May will den EU-Austritt ihres Landes bis Ende März in Brüssel beantragen, für die anschließenden Verhandlungen gilt eine Zweijahresfrist. Ihr Außenminister Boris Johnson gehört dem Lager der EU-Gegner an. Am Sonntag zeigte sich allerdings, dass er sich nur wenige Tage vor seinem offiziellen Wechsel in das Brexit-Lager im Februar noch für den Verbleib Großbritanniens in der EU aussprach.

Die „Sunday Times“ veröffentlichte ein Plädoyer von Johnson, in dem dieser damals Großbritanniens EU-Mitgliedschaft als „Segen für Europa und die Welt“ bezeichnete. Ein Brexit könne zu einem „Wirtschaftsschock“ und zum „Auseinanderbrechen“ Großbritanniens führen, hieß es in Johnsons Text, der letztlich aber nicht veröffentlicht wurde. Wenige Tage nach dem Verfassen der Fürsprache unterrichtete Johnson den damaligen Premierminister David Cameron darüber, dass er sich den Brexit-Befürwortern anschließe.

Etwa zur gleichen Zeit schrieb Johnson damals einen Text für den Brexit, den der „Daily Telegraph“ im März veröffentlichte. Johnson sagte am Sonntag, es sei richtig, dass er im Februar angesichts der Frage gespalten gewesen sei, „wie viele Menschen in diesem Land“. Daher habe er Texte mit beiden Sichtweisen verfasst und sie verglichen. „Was letztlich zu tun war, ist mir ins Auge gesprungen.“