BP-Wahl - EU-Experte: „Dominostein Österreich blieb stehen“
Wien/Brüssel (APA) - Die Wahl von Alexander Van der Bellen zum Bundespräsidenten ist ein kleiner Lichtblick für die EU. Nach dem Austritts-V...
Wien/Brüssel (APA) - Die Wahl von Alexander Van der Bellen zum Bundespräsidenten ist ein kleiner Lichtblick für die EU. Nach dem Austritts-Votum der Briten und dem Sieg von Donald Trump bei den US-Wahlen hätten viele geglaubt, der Rechtspopulismus sei „unaufhaltbar“, sagte der EU-Experte Stefan Lehne am Montag. „Es hat so eine Art Dominotheorie gegeben, und gestern ist dann eben so ein Dominostein stehen geblieben.“
Hoffnung könnte die EU auch nach Einschätzung Lehnes daraus schöpfen, weil die Mehrheit der Van der Bellen-Unterstützer ihn für seinen pro-europäischen Kurs gewählt hat. „Und dass ist natürlich für die Europäische Union in Zeiten wie diesen ein extrem positives und ermutigendes Signal“, konstatierte der frühere hochrangige österreichische Diplomat im APA-Gespräch.
Allerdings wäre durch die Nachricht am späten Sonntagnachmittag, die einen klaren Sieg Van der Bellens gegenüber dem freiheitlichen Kandidaten Norbert feststellte, nur ein „kurzes Aufatmen“ möglich gewesen. Denn wenige Stunden später kündigte der italienische Regierungschef Matteo Renzi aufgrund eines klaren „Neins“ beim Referendum über eine Verfassungsreform seinen Rücktritt an. Vor dem Hintergrund der Bankenkrise in Italien fürchtet sich Brüssel nun vor Instabilität in dem Euroland.
„Die italienische Problematik ist eine viel schwerwiegendere“, stellte Lehne klar. Allerdings dürfe auch hier nicht auf ein „einfaches Aufeinanderprallen zwischen der politischen Mitte und den Populisten reduziert werden“. So hätte es neben der rechtspopulistischen Lega Nord und der Protestbewegung „Fünf Sterne“ auch scharfe Kritik am Inhalt der Reformbemühungen seitens pro-europäischer Politiker sowie aus den eigenen Reihen Renzis gegeben, erklärte der am Institut Carnegie Europe forschende Österreicher.
Grundsätzlich warnte Lehne vor einem Schwarz-Weiß-Denken. „So einfach geht es nicht, dass man jetzt sagt, überall steigen die Populisten auf und die Mainstream-Politiker und proeuropäischen Kräfte sind im Rückzug - das kann man auch nicht in Italien konstatieren“. Freilich werde der Ausgang des Referendums vor allem wirtschaftlich eine „gravierende Entwicklung“ nach sich ziehen, ist der EU-Experte überzeugt. Für jetzt tippt Lehne auf eine Übergangsregierung in Italien - für die Wahlen 2018 hätten nach derzeitigem Stand die „Fünf Sterne“ und die Lega Nord gute Chancen.
Im kommenden Jahr stünden der EU mit den Parlamentswahlen in den Niederlanden und den Präsidentschaftswahlen in Frankreich die größten Belastungsproben bevor - eine Entscheidung bedroht gar ihre Existenz. Ein Sieg von Marine Le Pen, der Chefin der rechtspopulistischen Front National, könnte nach Lehnes Ansicht „wirklich das Todesurteil für die EU darstellen. Ohne Großbritannien kann die EU überleben, ohne Frankreich nicht.“
Dass der Wahlausgang in Österreich einen positiven Effekt auf andere Länder haben könnte, ist für Lehne durchaus möglich. Die österreichischen Wahlen seien „ein Signal“, dass der Anti-Europa-Kurs „keine Tendenz ist, der alles niederwalzt. Die Österreicher haben bewiesen, dass es auch in die andere Richtung gehen kann“, argumentierte Lehne.
(Das Gespräch führte Elisabeth Hilgarth/APA)