OSZE 2017 - Generalsekretär Zannier besorgt über Populismus in Europa

Wien (APA) - Der Aufschwung des Populismus bereitet auch der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) Kopfzerbrechen....

Wien (APA) - Der Aufschwung des Populismus bereitet auch der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) Kopfzerbrechen. „Wir sehen einen wachsenden Populismus in Europa und müssen schauen, was mit den europäischen Regierungen passiert, wie stabil Europa bleibt“, sagte OSZE-Generealsekretär Lamberto Zannier im APA-Gespräch.

Als weitere Herausforderung für die Sicherheit nannte der italienische Diplomat den Terrorismus und die Migration, die Europa noch Jahre beschäftigen werde. Von zentraler Bedeutung für die Stabilität auf dem Kontinent seien aber die Beziehungen mit Russland. „Wir haben eine geopolitische Lage, die uns in bestimmten Bereichen an die Dynamik des Kalten Krieges erinnert“, sagte er mit Blick auf den Ukraine-Konflikt und die westlichen Sanktionen gegen Russland.

„Österreich übernimmt den Vorsitz zu einem Zeitpunkt, zu dem der Aufgabenbereich wirklich sehr kompliziert ist“, sagte Zannier. Er hoffe, dass die österreichische OSZE-Präsidentschaft zur Lösung dieser komplizierten Fragen beitragen und auch die Rolle der Staatenorganisation als Dialogforum stärken werde. Im Vergleich zu Organisationen gleichgesinnter Staaten wie EU oder NATO zeichne die OSZE nämlich gerade die Tatsache aus, dass sie „inklusiv“ sei und Staaten mit unterschiedlichen politischen Ansichten vereine. „Wir schaffen einen Raum, in dem wir diese Unterschiede erörtern können. Wir möchten sie nicht eliminieren, sondern überbrücken“, betonte Zannier.

Im Ukraine-Konflikt sei die OSZE die einzige internationale Organisation gewesen, die einen Raum für Politik und Operationen gefunden habe. „Andere haben es versucht und sind dabei gescheitert“, betonte Zannier. Er verwies auf die Militärbeobachtungsmission in der Ostukraine, deren 1000 Mitglieder ein Wiederaufflammen der Feindseligkeiten zwischen der Armee und den pro-russischen Separatisten zu verhindern suchen. „Ich bin mir sicher, dass die Situation eine schlechtere wäre, wenn sie (die Beobachter) nicht dort wären“, sagte der OSZE-Generalsekretär, der zugleich Übergriffe auf die Mitglieder der Mission beklagte.

Zurückhaltend sieht Zannier Überlegungen, das Engagement der OSZE in der Ukraine auszubauen. In der Verantwortung seien vielmehr die Konfliktparteien, die getroffene Vereinbarungen auch umsetzen müssten. „Wir sind da, um zu unterstützen. Wir können die Parteien nicht bei der Umsetzung ersetzen. Die OSZE leistet ihren Beitrag und wird das weiterhin tun.“

Nicht rütteln will der OSZE-Generalsekretär am Konsensprinzip für politische Entscheidungen. Dass jeder der 57 Staaten ein Vetorecht hat, gebe den Entscheidungen Legitimität: „In der Ukraine können wir nur agieren, weil die Ukrainer und Russen das akzeptieren.“ Allerdings sei zu hinterfragen, ob sich das Vetorecht der einzelnen Staaten weiterhin auch auf organisatorische Fragen wie den Beschluss der Tagesordnung von OSZE-Sitzungen erstrecken müsse.

Kritisch äußerte sich Zannier zur Tendenz, OSZE-Sitzungen für „Vorwürfe und Beschuldigungen“ zu missbrauchen. Hier sollten sich die Mitgliedsstaaten ein Beispiel an der Vorgängerinstitution KSZE (Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) nehmen, die während des Kalten Krieges als „Plattform für eine Debatte zwischen Feinden“ genutzt worden sei.

Zannier beklagte auch, dass die während des Kalten Krieges eingerichteten Mechanismen zur Rüstungskontrolle an Wirksamkeit verloren hätten. „Wir müssen den Werkzeugkasten der Organisation verbessern“, verwies der Diplomat unter anderem auf die wachsende Bedeutung von „hybriden Konflikten“, in die paramilitärische Verbände involviert sind. Er unterstütze auch die vom scheidenden deutschen Vorsitz angestoßene Diskussion in diesem Bereich.

Das breite Sicherheitskonzept der OSZE, das bis hin zu Themen wie Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten, der Stärkung der Wirtschaftspolitik, Frauenrechten und Umweltschutz reicht, verteidigte Zannier. Die Herausforderungen für die europäische Sicherheit seien nämlich mit einem engeren politisch-militärischen Zugang schwerer zu bewältigen. „Aber manchmal sieht man eine Tendenz der Staaten, einschließlich der Vorsitzländer, ihre Lieblingsthemen auf die Tagesordnung zu setzen, wodurch eine Ausbreitung von Themen geschaffen wird, was zu einer geringeren Fokussierung führen kann. Wir sollten rationalisieren und uns wieder auf die Kernfragen konzentrieren“, sagte der OSZE-Generalsekretär. Doch gerade in der Migrationsfrage könne die OSZE weiterhin einen Beitrag leisten, etwa durch ihre Partnerschaft mit den Staaten des Mittelmeerraumes weiterhin einen Beitrag leisten, betonte Zannier. Diese Partnerschaft müsse man nun auf eine „operative“ Ebene heben.

Zannier scheidet im Juni nach zwei dreijährigen Perioden aus dem Amt. Seine Bilanz fällt positiv aus. Heute sei die OSZE „viel sichtbarer“ und werde von den Mitgliedsstaaten unterstützt. „Ich verlasse die OSZE in einer stärkeren Position als bei meinem Antritt“, betonte der OSZE-Generalsekretär, dessen Nachfolger der österreichische Vorsitz wird finden müssen.

(Das Interview führte Stefan Vospernik/APA)

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