Die Kunst des Alterns: Fernsehlegende Georg Stefan Troller wird 95

Paris/Wien (APA) - Er war Fernsehmann der ersten Stunde, der die Begabung hatte, Menschen zum Reden zu bewegen: Georg Stefan Troller hat in ...

Paris/Wien (APA) - Er war Fernsehmann der ersten Stunde, der die Begabung hatte, Menschen zum Reden zu bewegen: Georg Stefan Troller hat in seiner rund 40-jährigen Karriere unzählige Menschen vor der Kamera gehabt, von A wie Muhammad Ali bis hin zu Z wie Elmo Zumwalt, mitverantwortlich für das Versprühen von Entlaubungsmitteln im Vietnam-Krieg. Am Samstag (10. Dezember) wird die Fernsehlegende 95 Jahre alt.

Mit seinem subjektiven Zugang und seinem lakonischen, bisweilen auch spöttischen Stil hatte Troller das deutschsprachige Fernsehen mitgeprägt und nicht zuletzt an der Seite von Regisseur Axel Corti TV-Geschichte geschrieben. So verfasste Troller die Drehbücher für dessen Filme „Ein junger Mann aus dem Innviertel“ (1973), „Der junge Freud“ (1976) und „Wohin und zurück - An uns glaubt Gott nicht mehr“ (1981).

Und bis heute ist Troller, der mit seinem Karl-Lagerfeld-Zopf und seinem grauen Bart eher wie ein Bonvivant oder Künstler denn wie ein 95-jähriger Fernsehjournalist wirkt, aktiv. So erscheint zum Geburtstag sein jüngstes Erinnerungsbuch „Unterwegs auf vielen Straßen“ (Edition Memoria), das verschiedene Vorträge und Interviews vereint, darunter auch eine Abhandlung zur „Kunst des Alterns“. „Hand aufs Herz, man veröffentlicht Bücher zuallererst, um sich selber Freude zu bereiten“, unterstreicht der Autor selbstironisch in seinem Band. Aber das schließt die Freude des Lesers ja nicht aus.

Dabei war Trollers Jugend im Wien der Nazizeit zunächst alles andere als lustig, musste der Sohne eines jüdischen Pelzhändlers doch wegen seiner jüdischen Abstammung im November 1938 in die Tschechoslowakei flüchten. Wenige Monate später, im April 1939, schlug er sich nach Frankreich durch, wo er als „feindlicher Ausländer“ interniert wurde. 1941 gelangte er nach neuerlicher Internierung in Casablanca (Marokko) nach New York, wo er sich u.a. als Buchbinder durchschlug. 1943 wurde er US-Bürger und diente von März 1943 bis Mai 1946 freiwillig in der US-Army. Nach einem Anglistikstudium in den USA kehrte er 1949 nach Europa zurück und studierte in Wien und Paris Theaterwissenschaften. Obwohl seit Jahrzehnten in Paris lebend, bezeichnet er die französische Metropole als sein „ständiges Provisorium“, das er als „Stadt der Abenteuer liebt“ und über die er gerne schreibt und dreht.

Bekannt wurde Troller mit seinem ARD-Magazin „Pariser Journal“ (1961-1971), das prominente Gäste und Viertel aus Paris vorstellte. Anschließend reiste er für seine ZDF-Sendereihe „Personenbeschreibungen“ durch ferne Länder wie Mexiko und Guatemala, ständig auf der Suche nach neuen Features über außergewöhnliche Menschen oder Schicksale. Ihn interessierte stets weniger das Ereignis an sich als die Frage, wie das Ereignis auf den Menschen wirkt - dieser menschliche Zugang machte den Journalisten und Autor zu einer europäischen Fernsehlegende und zum Vorbild für eine ganze Journalistengeneration.

„Was mich von anderen unterscheidet, ist eine gewisse Unverfrorenheit den Leuten gegenüber, mit denen ich filme, was eine angenommene Haltung ist, weil in Wirklichkeit mein Respekt ungeheuer ist“, erklärte der mehrfach ausgezeichnete Troller einmal. Von der Goldenen Kamera 1966 über zahlreiche Grimme-Preise bis hin zum deutschen Verdienstkreuz 1. Klasse 2002 und dem Axel-Corti-Preis 2004 durfte sich Troller einer ganzen Kohorte an Ehrungen erfreuen. Auch gehörte er zu den ersten 40 Filmschaffenden, die mit einem Stern am Berliner Walk of Fame gewürdigt wurden, nachdem er der Deutschen Kinemathek zuvor sein gesamtes Fernseharchiv übergeben hatte. Und 2014 kam der Schillerpreis der Stadt Mannheim hinzu.

Österreich ist Troller verbunden geblieben, auch wenn die Verbindung eine ambivalente ist, wie er in seinem vor zwei Jahren erschienenen Buch „Das fidele Grab an der Donau. Mein Wien 1918-1938“ schreibt: „Dass einer der Emigranten sich je wieder in Wien gänzlich zu Hause gefühlt hätte, je sich der Stadt wiederliebend hätte anheimgeben können, habe ich trotz vieler Erkundigungen nie bestätigt bekommen.“

Seine alte Heimatstadt würdigt den teil-verlorenen Sohn aber dennoch. Von 17. Jänner bis 26. Februar ist Troller im Filmarchiv Austria eine große Retrospektive gewidmet, die unter anderem Werke wie „Personenbeschreibung: Charles Bukowski - Porträt des Künstlers als alter Hund“ (1982) oder Cortis „Ein junger Mann aus dem Innviertel“ (1983) umfasst. Zur Eröffnung am 17. Jänner ist ein Bühnengespräch mit dem Jubilar geplant.

(S E R V I C E - Georg Stefan Troller: „Unterwegs auf vielen Straßen. Erlebtes und Erinnertes“, Edition Memoria, Köln 2016, 224 Seiten, 25 Euro)