Grazer TiB: „The Shop“ als Realsatire über Globalisierungswahnsinn
Graz (APA) - Wie schwierig, absurd und mitunter mehr tragisch als komisch sich die interkontinentale Kulturzusammenarbeit in unseren Tagen g...
Graz (APA) - Wie schwierig, absurd und mitunter mehr tragisch als komisch sich die interkontinentale Kulturzusammenarbeit in unseren Tagen gestaltet, davon kann das Grazer Theater im Bahnhof (TiB) ein Lied singen. Oder besser gesagt: Ein Impro-Stück auf die Bühne des öffentlichen Raumes bringen. Die Lagos-Frankfurt-Grazer Co-Produktion „The Shop“ handelt davon.
Das TiB bezeichnet sein am Mittwoch in einem Lokal in der Grazer Annenstraße (Publikumsraum/Bühne) und auf dem gegenüberliegenden Gehsteig (Bühne) in Österreich erstaufgeführtes Ensemblestück „The Shop or No Ability To Choose“ als Lecture-Performance. Das traf es dann auch ziemlich genau.
Der Ausgangspunkt für das unter der Leitung von Regisseur Ed Hauswirth ersonnene Konzept des Stücks war der Dialog mit Deutsch-Studentinnen und Studenten in der nigerianischen Millionenmetropole Lagos. Bei der Uraufführung vor ziemlich genau einem Jahr ebendort waren ein weibliches und ein männliches Duo die Protagonisten. Bei der Aufführung in Graz wurden die Frauen aus praktischen - der männliche Student aus Nigeria, Abayomi Ajifowowe, sprach besser Deutsch - sowie aus budgetären Gründen gestrichen.
Im Wesentlichen ging es bei der Grazer Fassung um eine Aufarbeitung des behördlichen Spießrutenlaufs mit einigermaßen dramatischem Endspurt in Paris, als Ajifowowe von den französischen Behörden um ein Haar kerzengerade abgeschoben worden wäre - und zwar nur deshalb, weil sich der Portier seines Pariser Hotels schwertat, die Zimmerbuchung zu finden, wie Hauswirth erklärte. Nur mit größter Mühe und Interventionen vonseiten österreichischer und deutscher Institutionen und Behörden in mehreren Ländern gelang es schließlich, den Studenten und Darsteller noch in letzter Minute zur Grazer Premiere zu bringen. Im Frankfurter Künstlerhaus Mousonturm mussten Hauswirth und Co bei der Europa-Premiere währenddessen ohne ihren nigerianischen Protagonisten improvisieren.
Zum Ablauf des Premierenabends ist zu sagen, dass sich das mehr oder weniger handlungsfreie Stück als unterhaltsamer Monolog des als Moderator agierenden, wie immer mit subtilem Schmäh und kabarettistischen Holzhämmern arbeitenden Rupert Lehofer offenbarte. Abayomi Ajifowowe, auf den man das Publikum fast wie auf Godot warten ließ, spazierte dann doch noch über das winterlich-frühnächtliche Trottoir der Annenstraße, versagte die (angesagte) Tanznummer und brachte das Publikum nach einer knappen Stunde Schmunzelns und Kicherns (Lehofer „leakte“ den absurden E-Mail-Schriftverkehr mit verschiedenen Behörden in Lagos und Abuja als Lesung von der Straße) doch noch zum echten Reflektieren über die Auswirkungen des Irrsinns, der sich in ganz Europa - und letztlich auch in den Herkunfts- und Transitländern - wohl täglich mehrfach abspielt.
(S E R V I C E - Theater im Bahnhof: „The Shop or No Ability To Choose - Ein realer Krimi und eine Reflexion über das unlängst Geschehene“; von und mit Abayomi Ajifowowe, Rupert Lehofer und Eduard Hauswirth; weiterer Termin: Donnerstag, 8. Dezember in Graz; Treffpunkt 17:30 Uhr in der TiB-Bar, Elisabethinergasse 27a, 8020 Graz. www.theater-im-bahnhof.com)