Ultranationalist Bahceli: Unergründlicher Königsmacher in der Türkei
Ankara (APA/AFP) - Als Devlet Bahceli im Jahr 1997 zum Vorsitzenden der Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) gewählt wurde, war Recep...
Ankara (APA/AFP) - Als Devlet Bahceli im Jahr 1997 zum Vorsitzenden der Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) gewählt wurde, war Recep Tayyip Erdogan noch ein aufstrebender Lokalpolitiker in Istanbul. Knapp zwei Jahrzehnte später ist Erdogan türkischer Staatspräsident, während Bahceli zum Königsmacher aufgerückt ist.
Bei dem von Erdogan angestrebten Wechsel zum Präsidialsystem kommt dem 68-jährigen Ultranationalisten eine Schlüsselrolle zu, doch ist die Unterstützung für die höchst umstrittene Verfassungsreform für Bahceli riskant.
Erdogans islamisch-konservative Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) braucht die Stimmen der MHP-Abgeordneten im Parlament, um die Mehrheit von 330 Stimmen zu erlangen, die erforderlich ist, um eine Volksabstimmung über die Verfassungsreform anberaumen zu können. „Keine Verfassungsänderung ist möglich ohne die Unterstützung der MHP. Wenn man die Zahlen zusammenrechnet, hat die AKP einfach nicht genug Stimmen im Parlament“, sagt der Politologe Ilter Turan von der Bilgi-Universität in Istanbul.
Warum Erdogan die Unterstützung der MHP sucht, ist daher klar, doch was sich Bahceli von dem Bündnis mit der AKP verspricht, ist weniger deutlich. Was der von Beobachtern seit langem als unergründlich beschriebene Politikveteran genau anstrebe, habe er bisher nicht klar gesagt, sagt Turan. „Bahceli verfolgt einen eher rätselhaften Kurs, der sehr schwer zu deuten ist.“ Zwar ergibt sich aus dem Bündnis für ihn persönlich mehr Macht, doch könnte es seine Partei langfristig schwächen.
Der bis heute unverheiratetete und kinderlose Bahceli hatte die Führung der Partei nach dem Tod ihres Gründers Alparslan Türkes übernommen, der noch heute in der Partei als Basbug (Chef) bekannt ist. Unter Bahceli behielt die Partei ihre scharfe rechtsnationalistische Rhetorik bei, doch bändigte er die radikalsten Kräfte wie die berüchtigten Grauen Wölfe, die in den 70er Jahren für zahlreiche politische Morde verantwortlich gemacht wurden.
Zugleich aber erodierte unter seiner Führung der Rückhalt der Partei bei den Wählern, was bei der Parlamentswahl im November 2015 darin gipfelte, dass die MHP auf einen demütigenden vierten Platz hinter die prokurdische Demokratischen Partei der Völker (HDP) zurückfiel. Im Sommer gab es einen Aufstand in der Partei gegen Bahceli, den der gesundheitlich angeschlagene Parteichef nur mit indirekter Unterstützung der Behörden abwenden konnte.
Seit dem gescheiterten Militärputsch vom 15. Juli haben sich die Dinge jedoch schlagartig geändert. Plötzlich ist Bahceli zum hofierten Gesprächspartner im Präsidentenpalast und im Büro von Ministerpräsident Binali Yildirim geworden. Im November erklärte Bahceli offiziell seine Unterstützung für die von Erdogan seit Jahren vorangetriebene Verfassungsreform, mit der die Macht des Präsidenten deutlich ausgeweitet werden soll.
Es ist anzunehmen, dass eine Bedingung Bahcelis für seine Unterstützung ist, dass die Regierung keinen Kompromiss mit der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) eingeht. Die MHP betrachtet sich als Hüterin der Identität des Landes als türkischer Staat und vertritt seit jeher einen Kurs der Härte gegen die kurdischen Rebellen. Sie wird daher wohl auch darauf dringen, dass die Regierung weiter gegen kurdische Journalisten, Intellektuelle und Lokalpolitiker vorgeht.
Als Belohnung für seine Unterstützung könnte Bahceli im neuen System laut Medienberichten den Posten als Vizepräsident erhalten. Ob sich das Bündnis mit der AKP für die MHP an den Urnen auszahlt, ist allerdings offen. Zwar bleibt ihr Wählerpotenzial in der zutiefst nationalistischen türkischen Gesellschaft groß, doch nimmt ihr die AKP zunehmend Stimmen ab. „Diese Parteien sind ideologische Verwandte, und die Wähler können leicht von einer zur anderen wechseln“, sagt Turan. „Wie die Dinge laufen, könnte die Partei letztlich von der AKP geschluckt werden. Sie verliert ihre eigenständige Identität.“