Der Tunnel ruft - Mit vollem Handyempfang im Gotthard-Massiv
Zürich/Lugano (APA/dpa) - Die Fahrt durch den längsten Bahntunnel der Welt führt durch 17 Minuten Dunkelheit. Doch obwohl vor dem Fenster ni...
Zürich/Lugano (APA/dpa) - Die Fahrt durch den längsten Bahntunnel der Welt führt durch 17 Minuten Dunkelheit. Doch obwohl vor dem Fenster nichts vom Schweizer Tessin zu sehen ist, sind Barbara Pfenninger und ihr Ehemann Rudolf im siebenten Himmel. Die Eisenbahnfreunde aus der Nähe von Zürich gehören zu den ersten Fahrgästen, die im echten Fahrplanbetrieb durch den Gotthard-Basistunnel rauschen dürfen.
„Wir haben lange mitgefiebert, die Baustellen besichtigt und waren auch während des Durchstichs dabei“, berichtet Barbara Pfenninger (53). Zu wissen, dass sich über einem bis zu 2.300 Meter Fels auftürmen, das ist der eigentliche Reiz an den 57 Kilometern der neuen Bahnstrecke. Deswegen sitzen so viele Eisenbahnfans an Bord des Eurocity EC 11, der pünktlich um 6.09 Uhr vom Züricher Hauptbahnhof in Richtung Mailand rollt. „Ein paar Stündchen später hätte es schon losgehen können“, sagt Barbara Pfenninger.
Tausende Testfahrten sind der Jungfernfahrt vorausgegangen. Die Schweizer haben in den 17 Jahren Bauzeit Präzisionsarbeit geleistet: Dank modernster Technik und jeder Menge Kabel funktionieren auch tief im Tunnel noch die Handys.
Ingenieure aus ihrem Bekanntenkreis hätten mitgewirkt, sagt Rudolf Pfenninger. „Da wurde etwas wirklich ganz Großes geschaffen.“ Fast 20 Jahre sei organisiert und finanziert worden. „Unsere Generation hat das intensiv miterlebt und mitgetragen“, erklärt der 57-Jährige.
Offiziell eingeweiht wurde das Schweizer Tunnelwunder schon rund ein halbes Jahr vor der Inbetriebnahme - das war am 1. Juni dieses Jahres. Auch der österreichische Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) war dabei. Der Schweizer Bundespräsident Johann Schneider-Ammann nannte den Tag historisch. Ein Begriff, der auch am Tag der Inbetriebnahme öfter fiel.
Der Gotthard-Basistunnel ist ein Jahrhundertprojekt. Für eine schnellere Nord-Süd-Verbindung quer durch die Alpen wurden mehr als 28,2 Millionen Tonnen Material aus Gestein gebrochen. Mehr als 30 Minuten spart der Tunnel zwischen Erstfeld im Kanton Uri und Bodio im Tessin bei der Fahrt nach Italien. Der Bau dauerte rund 17 Jahre.
Der Tunnel kommt ohne enge Kurven aus und besteht aus zwei Röhren - eine für jede Richtung. Und weil die Züge fast im Erdgeschoß der Berge mit keinerlei Steigung zu kämpfen haben, können sie schneller durchfahren und schwerer beladen werden. So kann mehr Güterverkehr von der Straße auf die Schiene gebracht werden.
All diese Fakten kennen Peter Vollenweider und Martin Ruppner quasi auswendig. Die beiden sind große Eisenbahnfans und touren auch mal 18 Stunden lang quer durch die Schweiz. Sie fahren bereits zum dritten Mal durch den neuen Gotthard-Basistunnel. Erst bei einer Publikumsfahrt im Juni, dann bei einer weiteren Tour Ende September. Die allererste offizielle Passagierfahrt sei dennoch magisch, versichern die beiden Pensionisten. „Deshalb haben wir uns am frühen Morgen aus dem Bett geschält“, sagt Vollenweider.