Eine Mama für den Notfall
Wenn Kinder berufstätiger Eltern krank sind und niemand da ist, der aufpassen kann, springt sie ein: Brigitte D’Costa ist eine Notfallmama, die Kinder daheim betreut.
Von Nicole Strozzi
Innsbruck –Brigitte D’Costa kämpft zurzeit mit Halsschmerzen. Schuld am grippalen Desaster ist vermutlich ein Wohltätigkeitsbazar, bei dem die 65-Jährige stundenlang in der Kälte stand. „Bei einem Kind habe ich mich noch nie angesteckt“, lacht die lebensfrohe Innsbruckerin. Das ist deswegen erstaunlich, weil Brigitte dann ins Haus kommt, wenn Kinder schniefen, husten oder rotzen und nicht in den Kindergarten oder in die Schule dürfen.
Die ehemalige Kindergartenpädagogin und jetzige Pensionistin ist seit acht Jahren Notfallmama. Das heißt, die zweifache Mutter und Oma zweier Enkelkinder sorgt sich um fremde Kids, wenn diese krank und die Eltern berufstätig bzw. alleinerziehend sind und niemanden haben, der auf die Kleinen aufpasst. „Ich war gerne im Beruf und nach der Pension war dieser Job für mich das Richtige, zumal ich damals noch keine Enkelkinder hatte“, erzählt D’Costa bei einem Plausch in ihrer Wohnung.
In Österreich gibt es etwas mehr als 500 solcher Betreuerinnen (in Tirol etwa 40), darunter auch vereinzelt ein paar Notfallpapas. Alle sind Mitarbeiter des Vereins „KiB“, der die Initiative ins Leben gerufen hat, um Eltern, die kein soziales Netzwerk besitzen, in Ausnahmesituationen unter die Arme zu greifen.
Eltern, die Vereinsmitglieder sind, zahlen monatlich 14,50 Euro und haben damit die Möglichkeit, rund um die Uhr bei einer Hotline anzurufen und eine „Aushilfsmama“ anzufordern. Das kann eine Studentin genauso sein wie jemand Älterer wie Brigitte D’Costa. „Es kann schon passieren, dass ich abends um 22 Uhr einen Anruf bekomme, dass ich am nächsten Tag um 7 Uhr gebraucht werde“, schildert die Pensionistin.
Insgesamt 30 Familien hat die 65-Jährige in den letzten Jahren besucht. Manchmal würde sie die Familie bereits kennen, manchmal komme sie als „Fremde“ in einen völlig neuen Haushalt und müsse sich erst zurechtfinden. „Ein fremder Haushalt ist für mich aber kein Grund zur Panik. Es ist doch überall dasselbe. Das Geschirr steht in der Küche und der Müll und der Kehrbesen sind unter dem Waschbecken“, lacht die 65-Jährige. „Und wenn das Kind bereits sprechen kann, dann sage ich immer: Jetzt bist du der Chef und musst mir alles erklären. Das taugt den Kleinen.“
Die Kinder seien sowieso sehr flexibel und gut vorbereitet. Sie wissen, dass da jetzt jemand kommt, der mit ihnen den ganzen Tag spielt. „Ich bin immer erstaunt, wie gut das Kennenlernen verläuft und wie schnell die erste Schüchternheit verfliegt“, schildert D’Costa.
Das Alter der Kinder reicht von der Krabbelstube bis zur Pubertät. Probleme habe es bis dato noch nie gegeben. Im Gegenteil: Es sei immer nett bei den Kindern. Dass man nach einem Sechs-Stunden-Spiel-Tag müde ins Bett fällt, das kann die Pensionistin aber nicht leugnen. Denn schlafen würden die wenigsten der Kids. „Einmal habe ich den ganzen Vormittag lang den ,Räuber Hotzenplotz‘ vorgelesen. Danach hatte ich keine Stimme mehr.“
Ein anderes Mal stand ein Spiele-Marathon auf dem Programm: Die „Siedler von Catan“, ein völlig neues Spiel für D’Costa, die hinterher fix und fertig war. Seitdem nimmt sie sich ihr eigenes Spiel mit: Flohhüpfen. „Das kennen viele nicht und ich muss mir nicht so viele Spielregeln merken“, erzählt die 65-Jährige von ihrem Plan. An Humor mangelt es jedenfalls nicht.
Dafür steht Fernsehen so gut wie nicht auf dem Programm. Was erlaubt ist und was nicht, das geben die Eltern vor. Dass das Ehebett nicht zur Hüpfburg umfunktioniert wird und die Schokoladevorräte nicht geplündert werden, dafür hat die Notfallmama dann zu sorgen. Und D’Costa weiß: „Der Vertrauensvorschuss von Eltern ist grandios.“