1947-2016

David Bowie wäre 70: Unter einem schwarzen Stern

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Heute wäre David Bowie 70 Jahre alt geworden. Leben und Sterben des Popheroen waren weit jenseits des Mittelmaßes.

Von Silvana Resch

Innsbruck –„Unerreichbar, sehr schön oder zumindest sehr wild oder sehr seltsam“ waren die Männer, die bis in die 1990er-Jahre die Popmusik dominierten. Männer, die weit jenseits des mittelmäßigen und unansehnlichen Lebens ihres Publikums zu existieren schienen, schreibt Jens Balzer in „Pop – Panoram­a der Gegenwart“ mit wehmütigem Blick auf die große Zeit der Heroen des Pop: Damals sei man als Zuschauer noch erniedrigt worden.

Als überirdische Lichtgestalt, die alles Durchschnittliche in den Schatten stellte, war David Bowie mit seinem Alter Ego Ziggy Stardust 1972 vom Himmel gefallen – und landete seinen ersten Karrierehöhepunkt. Leben, Sterben und Auferstehung hatte Bowie in kürzester Zeit mit seiner Glamrock-Persona durchdekliniert. Eine Kunstfigur, deren raketenhafter Aufstieg von Fotograf Mick Rock im Bildband „The Rise of David Bowie, 1972–1973“ festgehalten wurde. Und die sich als unsterblich erweisen sollte: In Frankreich, erzählte Bowie einmal in einem BBC-Interview, wurde er 40 Jahre später noch immer gefragt, warum er Ziggy Stardust denn habe sterben lassen.

Der Tod war in Bowies Werk stets präsent – vielleicht wollte auch deswegen bei der Veröffentlichung seines letzten, jazzig-fiebrigen Albums „Blackstar“ niemand an ein musikalisches Vermächtnis denken. Dabei lieferte der Schwerkranke (die Diagnose Leberkrebs hatte er verheimlicht) eindeutige Hinweise: In einer kunstvollen Inszenierung – samt „Lazarus“-Song und Video – verabschiedete sich Bowie für immer von der Bühne. Er starb am 10. Jänner, zwei Tage, nachdem die Platte heute vor einem Jahr veröffentlicht wurde. Der Album­titel „Blackstar“ ist wohl von einem gleichnamigen Elvis-Presley-Song entlehnt: Presleys „Black Star“, 1960 aufgenommen, sollte erst Jahrzehnte später im Original veröffentlicht werden. Das düstere, country­esque Stück über ein unausweichliches Schicksal wurde ursprünglich für einen Hollywood-Western eingespielt. Doch als der Filmtitel in „Flaming Star“ geändert wurde, wurden auch die Lyrics angepasst. Im Original singt Presley: „Every man has a black star/ A black star over his shoulder/And when a man sees his black star/ He knows his time, his time has come.“

Unter diesem schwarzen Stern wähnen viele Fans nun die noch verbliebenen Legenden Mick Jagger, Keith Richards oder Paul McCartney. Künstler, die Pop von der Rebellion zur Leitkultur führten. Ironischerweise gab es darin keinen Platz für das Altern. Doch was einst als Geste des Aufbegehren galt, erfüllt heute mit wohlig-nostalgischem Schauer. Für die Auftritte von The Who, Rolling Stones, Bob Dylan, Paul McCartney oder Roger Waters griffen Musikfans beim Desert-Trip-Festival vergangenen Oktober in der kalifornischen Wüste tief in die Tasche. Der Altersdurchschnitt der Künstler beim bis dato kommerziell erfolgreichsten Festival lag bei 72 Jahren.

Gut verdienen lässt sich freilich auch nach dem Ableben eines Superstars. Spitzenreiter unter den Toten ist Michael Jackson, der 2016 Einnahmen von 790 Millionen Dollar auf seinem himmlischen Konto verbuchen konnte. Goldkehlchen Taylor Swift, bestverdienende lebende Musikerin, singt mit 170 Millionen Dollar in den hinteren Rängen.

Die Erinnerung an die glanzvollen Zeiten der Popheroen soll freilich nicht nur mit Tonträgern aufrechterhalten werden. Zum Gedenken an David Bowie, der heute 70 Jahre alt geworden wäre, laden langjährige musikalische Kollaborateure in Brixton, London, zum Tribute-Konzert. Bowies langjähriger Freund Gary Oldman wird durch den Veranstaltungsreigen führen. Ob dabei noch einmal der Glanz eines Lebens weit jenseits des Mittelmäßigen verströmt wird?