Über 20 Gipfel müsst ihr gehen - von Innsbruck zum Mont Blanc
Zwei Bergretter aus Innsbruck starten am Dienstag in ein Abenteuer, das sie vom Goldenen Dachl bis zum Mont Blanc führt. Ihre einzigen Fortbewegungsmittel sind ihre Füße und die Ski.
Von Matthias Christler
Innsbruck, Chamonix –Socken, sie dürfen nur nicht vergessen, für die kommenden sechs Wochen genug Socken einzupacken. „Wie viele nimmst du mit?“, fragt Valentino Dax (30) bei einem Vorbereitungsgespräch und Márk Salamon (33) antwortet: „Drei bis vier Paare.“ Dax plant ähnlich, er packt drei Paar Skitouren-Socken und ein Paar Wollsocken ein. Auf ihrem 650 Kilometer weiten Weg von Innsbruck nach Chamonix liegen genug Hütten, wo sie übernachten und ihr Zeug waschen können. Denn nichts wäre schlimmer auf ihrer Abenteuer-Tour, die sie über 50.000 Höhenmeter führen soll, als wenn sie Blasen an den Füßen zur Aufgabe zwingen würden. „Ich habe keine Problemfüße“, scherzt Salamon.
Die Chemie zwischen den beiden stimmt. Ohne das wäre der „Ausflug“, der am kommenden Dienstag startet, undenkbar. Dax hat Erfahrung mit längeren (Rad-)Touren und weiß, wie wichtig es sein wird, aufeinander Rücksicht zu nehmen. „Der eine ist mal besser drauf, könnte 2000 Höhenmeter schaffen, der andere aber hat einen schlechteren Tag. Es geht darum, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen“, sagt er. Salamon ergänzt: „Jeder muss auch seine Zweifel und Bedenken, wenn ihm z. B. ein Hang nicht gefällt, äußern. Wir wollen ja nicht unter eine Lawine kommen.“
Der gebürtige Ungar Salamon ist Kartograf und kam vor etwa drei Jahren auf die Idee, die Alpen von Ost nach West zu überqueren, er fand aber lange niemanden, der ihn begleiten wollte. Der Oberösterreicher Dax, Wildbiologe und Abenteuerfotograf, der mit Salamon gemeinsam bei der Innsbrucker Bergrettung aktiv ist, war schon mit dem Kajak in Sibirien und dem Fahrrad auf der Seidenstraße unterwegs. Im vergangenen Oktober kamen sie ins Gespräch und beschlossen, ihre „X-Alps-Ski“-Tour in die Tat umzusetzen.
„Mark ist der Tourenplaner, ich bin für das Drumherum, das Marketing zuständig“, erklärt Dax die Aufgabenverteilung, die ihm gerade einige kurze Nächte beschert. Der größte Stress sei, alles vorzubereiten. „Nach dem Start wird es entspannter, dann sehe ich das so, als ob wir einfach sechs Wochen lang jeden Tag eine Skitour gehen dürfen“, freut er sich auf den Start.
Vor dem Goldenen Dachl wollen sich die beiden am Dienstag treffen, die Tourenski auf den Rucksack schnallen, Richtung Mutters gehen und sobald es der Schnee zulässt, die Ski auffellen. Auf einer Liste mit 54 möglichen Orten zur Übernachtung ist das Birgitzköpflhaus der erste, die Refuge Cosmiques im Mont-Blanc-Massiv der letzte. Dazwischen liegen mindestens 20 Gipfel, darunter so klingende Namen wie der Piz Palü (3900 m), der Monte Leone (3553 m) und zum Abschluss der Mont Blanc (4810 m). Salamon beschreibt die Route so: „Zuerst gehen wir durch die Stubaier Alpen, dann die Ötztaler und ab dem Reschenpass folgen wir dem Alpenhauptkamm.“ Das soll nach etwas mehr als einer Woche geschafft sein. Kurz darauf folgt die längste Etappe, die etwa 30 Kilometer über den Ofenpass ins seit dem 28. Februar tief verschneite Livigno reicht. „Bis Ende Februar war nicht klar, ob überall genug Schnee liegt, aber es sollte passen.“ Die beiden wollen ja so viel wie möglich die Ski unter den Füßen haben und nicht am Rücken tragen müssen.
Der Rucksack ist ohnehin so eine Sache. Beide schnaufen durch, wenn sie an den Inhalt denken: Lawinenausrüstung, Steigeisen, Pickel, Schlafsäcke (falls sie in Schneehöhlen übernachten müssen), Gaskocher und Verpflegung für drei bis fünf Tage (sieben bis acht Mal kommen sie in Talorte, um Nachschub zu organisieren). Und: die ganze Technik. Jeder hat eine GoPro-Kamera dabei, dazu kommt eine Spiegelreflex- und eine kleinere Kamera für die vielen Aufnahmen, die später zu einem Film geschnitten werden. Und: die ganzen Akku-Ladegeräte. „So gut die Technik ist, fast jedes Gerät braucht ein eigenes Ladegerät“, seufzt Dax. Das macht einen gewichtigen Teil der geschätzt jeweils 15 Kilogramm am Rücken aus. Da fällt ein Paar Socken mehr oder weniger nicht mehr ins Gewicht.
Sollte der Plan der beiden aufgehen, lohnt sich der Aufwand. Dax freut sich auf die Westalpen, die er bisher kaum kennt. Salamon auf den Mont Blanc und, falls es die Verhältnisse zulassen, „auf die Abfahrt vom 40 bis 45 Grad steilen Nordhang“. Das wäre die Krönung ihrer sechs Wochen langen Skitour durch die Alpen.