Liebe und Freiheit als Skandal
Amma Asante erzählt in „A United Kingdom“ von einer Epoche, in der Gier und Ressentiments in das Private eindrangen und als Moral ausgegeben wurden.
Von Peter Angerer
Innsbruck –Über Jahrhunderte herrschten in Betschuanaland die Khamas, bis sich Ende des 19. Jahrhunderts die Übergriffe aus Südafrika häuften und der damalige König die Verwaltung des überwiegend aus Wüstenlandschaften bestehenden Landes an die Briten übergab. Die Kolonialherren saßen aber in Südafrika, das System der Apartheid regelte künftig auch den sozialen Alltag in Betschuanaland, das wegen seines Mangels an Bodenschätzen nie Gefahr lief, die Aufmerksamkeit der Welt zu erregen. Doch 1947 verliebte sich der künftige König Seretse Khama nach der Beendigung seiner Studien in London in eine Büroangestellte, die er zu seiner Königin machen wollte, und plötzlich zeigte ein Weltreich, das eben vom Verlust Indiens gedemütigt worden war, wozu es in der Lage ist und was Politiker mit Lügen und Erpressungen anstellen können. Amma Asante, die mit „Dido Elizabeth Belle“ (2013) eine bewegende historische Momentaufnahme über das Ende des britischen Sklavenhandels inszeniert hat, wählte als Vorlage für ihren Film „A United Kingdom“ das akribisch recherchierte Buch „Colour Bar“ von Susan Williams.
Zur Zeichnung der englischen Nachkriegswelt genügen Amma Asante kleine Hinweise. Zornig kommentieren die Menschen die Undankbarkeit der Inder – „Die werden noch angekrochen kommen!“ –, der Rassismus wird unverhohlen demonstriert. Vor den Pubs regeln Tafeln („No Blacks! No Irish! No Dogs!“) den Zugang. Wenn Seretse Khama (David Oyelowo) auf der Straße geht, begegnet er offenem Hass, als sich Ruth Williams (Rosamund Pike) nach einem Tanzabend im Pfarrheim erstmals bei ihm einhängt, auch offener Gewalt. Da ahnt die Buchhalterin noch nichts vom Status und den dynastischen Verpflichtungen des geliebten Mannes. Vor seiner Abreise weiß sie dagegen, dass sie keinen Tag ihres Lebens mehr ohne diesen Mann verbringen möchte. Die Bilder von der Hochzeit auf den Titelseiten der großen Zeitungen zeigen allerdings kein Traumpaar, das einen Weg in das Glück zu finden versucht, sondern zwei Menschen, die künftig nur Schmähungen und Verfolgungen ausgesetzt sind. Ruth wird von ihrer Mittelstandsfamilie verstoßen, während Seretse von Staatssekretären im Auftrag der Regierungen von Südafrika und Rhodesien bedroht wird. Noch schmerzhafter sind die Erfahrungen des Paares nach der Ankunft in Betschuanaland, wo längst die umgekehrte Apartheid gelebt wird, denn mit Ruth könnte eine Vertreterin der Kolonialmacht den ohnehin fiktiven Thron besteigen.
Amma Asante verdichtet den zehn Jahre währenden Kampf um Liebe, Freiheit und Gerechtigkeit auf die Dauer einer Schwangerschaft und wechselt im Stil zwischen Rührstück und Politthriller, in dem Winston Churchill eine besonders unrühmliche Rolle spielt. Seretse Khama führte nach seiner mehrjährigen Verbannung sein Land in die Unabhängigkeit, mit der ersten Verfassung von 1966 wurde aus Betschuanaland die Republik Botswana mit Khama als erstem Präsidenten, der dann auch den geheimen Protektorats-Vertrag einsehen durfte. In ihrer Überheblichkeit waren Queen Victorias Juristen davon ausgegangen, die dummen Khamas für alle Zeiten über den Tisch ziehen zu können. Deshalb hatten sie darauf verzichtet, die Besitzverhältnisse künftiger Mineralienfunde zu regeln. Als die ersten Diamanten gefunden wurden, gehörten sie daher Botswana, das zum größten Diamantenexporteur wurde. Das ist eine schöne Pointe in einem anrührenden Film.