Brexit - London erwartet „gesalzene“ Rechnung
Brüssel (APA/AFP) - Sie gilt als eines der schwierigen Kapitel in den Austrittsverhandlungen mit Großbritannien: die Austrittsrechnung. Die ...
Brüssel (APA/AFP) - Sie gilt als eines der schwierigen Kapitel in den Austrittsverhandlungen mit Großbritannien: die Austrittsrechnung. Die EU will von London Milliarden, wenn das Land die Union verlässt. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat bereits angekündigt, die Rechnung werde „sehr gesalzen“ ausfallen.
Warum fordert die EU von London Geld?
Die EU plant ihr Budget über Zeiträume von sieben Jahren. Der aktuelle Zeitraum läuft bis einschließlich 2020 - also bis fast zwei Jahre nach dem geplanten Brexit im März 2019. Bis dahin sind praktisch alle EU-Mittel schon verplant - und ein Teil der eingegangenen Verpflichtungen für bestimmte Projekte bezieht sich auch noch auf die Jahre nach 2020. „Das ist keine Strafe“, sagte ein EU-Vertreter zu der Austrittsforderung. „Es geht nur darum, dass Großbritannien das bezahlt, was es zugesagt hat.“
Um was für Posten geht es?
Betroffen ist letztlich jegliche Form von EU-Ausgaben einschließlich des EU-Kohäsionsfonds zur Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen ärmeren und reicheren Mitgliedstaaten. Ein zentraler Punkt sind auch die Pensionszahlungen für EU-Beamte. „Es geht dabei nicht um die Pensionen für britische Beamte, sondern den Anteil an den Pensionen für alle EU-Beamte“, sagt ein Diplomat. Als daneben besonders problematisch gilt der britische Anteil an Krediten, die über die Europäische Investitionsbank (EIB) vergeben werden.
Wie hoch könnte die Rechnung ausfallen?
Offizielle Zahlen gibt es nicht. Aus EU-Kreisen heißt es aber, die Kommission komme auf einen Betrag von 55 bis 60 Milliarden Euro. Andere Quellen nennen 40 bis 60 Milliarden Euro.
Könnte London die Forderung verringern?
Das wird die britische Regierung in den Verhandlungen sicher versuchen. Premierministerin Theresa May sagte Anfang März, London werde nach dem Austritt sicher nicht „gewaltige Summen“ an die EU zahlen. In Brüssel wird aber schon im Vorhinein Versuchen eine Absage erteilt, etwa den Anteil Großbritanniens an EU-Gebäuden abzuziehen. „Das ist wie mit einer Mitgliedschaft im Golfclub“, sagt ein Diplomat. „Wenn man austritt, bekommt man auch nicht den Anteil am Clubhaus ausgezahlt.“
Und wenn London einfach geht, ohne zu zahlen?
Eine Anfang März veröffentlichte Studie des britischen Oberhauses kommt zu dem Schluss, dass Großbritannien die EU auch ohne weitere Zahlungen verlassen könnte. London scheine hier „eine starke rechtliche Position“ zu haben, sagte die Vorsitzende des Finanzausschusses, Kishwer Falkner. Es gebe aber auch „mögliche Gewinne aus anderen Bereichen der Verhandlungen“, auf die Großbritannien dann verzichten würde. Hier könnte es etwa um den Status von britischen Bürgern in der EU gehen oder den künftigen Zugang für Unternehmen zum europäischen Binnenmarkt. „Wenn es keine Einigung auf die Austrittsrechnung gibt, gibt es überhaupt kein Austrittsabkommen“, sagt ein EU-Vertreter.