Freizeit

E-Biken auf einem schmalen Grat

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Kaum sind Mountainbikes mit Motorunterstützung im Gelände mehr oder weniger akzeptiert, entdecken einige den Reiz, auf engen Waldwegen nach oben zu rollen. Begegnungen mit Wanderern und Konflikte sind unausweichlich.

Von Matthias Christler

Innsbruck –Das Klischee Nummer 1, dass sich nur ältere, faule Bewegungsmuffel, die es ohne motorisierte Hilfe nicht mehr auf den Berg schaffen würden, auf ein E-Bike setzen, ist überholt. Inzwischen steigen ambitionierte Sportler um, da sie längere Touren schaffen und neue Höhen erklimmen.

Das Klischee Nummer 2, jenes vom wilden Rowdy, der mit dem Downhill-Rad kreuz und quer durch den Wald brettert, verschwindet langsam. Die Mehrheit erfreut sich an neuen, offiziellen Strecken.

Das dritte Klischee ist relativ neu und eine Mischung aus den beiden ersten. Mit geländegängigen E-Mountainbikes kann man auf steilen Wegen hinauf (uphill) und wieder hinunter (downhill) fahren. Das Downhillen wird – egal ob mit Motor am Rahmen oder ohne – im Tiroler Mountainbike-Modell von 2014 geregelt. Die Verantwortlichen haben den Bau neuer Trails in geordnete Bahnen gelenkt. Die relativ junge Uphill-Disziplin, die durch neue, vor allem leichtere Räder möglich wird, stand vor drei Jahren noch nicht zur Diskussion. Der ewige Konflikt um die Wegefreiheit ist damit um eine Facette reicher.

Nicht mehr kreuz und quer durch den Wald. Der Bau des Arzler-Alm-Trails hat sich gelohnt, seit August wurden 9000 Downhill-Fahrten gezählt.
© TVB Innsbruck / Joffrey Thevenon

Zwei Redaktionskollegen erzählten in der vergangenen Woche von ihren Begegnungen. Die E-Mountainbiker seien bei engen Steigen bergauf an ihnen vorbeigefahren. Der Alpenverein, der grundsätzlich für die Öffnung von Forststraßen für Radfahrer eintritt, sieht das Befahren von Wandersteigen und Waldwegen skeptisch: „Dort und auch querfeldein lehnen wir das per se ab, egal ob hinunter oder hinauf“, sagt Peter Kapelari, der beim Alpenverein Tirol die Abteilung Wege leitet. Als zusammen mit dem Land und Vertretern der Mountainbiker an dem Tiroler Konzept gearbeitet wurde, habe man an das nicht gedacht. „Die Branche entwickelt sich rasend schnell. Einen engen Wanderweg bergauf kann man zwar nicht schnell fahren und es braucht viel Geschicklichkeit, aber ich finde, es reicht, wenn man das auf ausgewiesenen Strecken in eine Richtung macht.“

Ähnlich äußert sich Dieter Stöhr von der Abteilung Forstorganisation des Landes Tirol, der glaubt, dass die Uphill-Disziplin von der Industrie gepusht werde, jedoch derzeit kein Massenphänomen sei. „Auf technisch anspruchsvollen Wanderwegen wird das eine Geschichte bleiben für wenige, sehr gute Radler. Trotzdem kommt da wahrscheinlich mehr auf uns zu, es könnte zunehmend zum Problem werden“, spricht er vor allem zwei Konflikte an. Erstens: wenn bergauf fahrende E-Biker auf Wanderer treffen. Hierbei stellt er klar, „dass auf normalen, nicht ausgewiesenen Wanderwegen das Fahren, ob mit oder ohne Motor, ganz klar verboten ist“. Ein zweiter Konflikt betrifft die Biker untereinander: wenn bergauf fahrende E-Biker mit Motorunterstützung auf bergab fahrende Kollegen treffen. Umso enger der Weg, desto gefährlicher.

Aus Sicht der Mountainbiker hat Christian „Picco“ Piccolruaz am Tiroler Mountainbikemodell mitgewirkt, der Bikestreckenkonstrukteur und E-Mountainbike-Testfahrer macht sich Gedanken, wie sich der Sport entwickelt. Das Gelände in Tirol sei jedenfalls prädestiniert für den Uphill, weil sich mit den E-Bikes Steigungen bis knapp über 60 Prozent überwinden ließen: „Da kommt man fast überall hinauf“, spricht er die neuen Möglichkeiten an. Für das Problem der Biker-Biker-Begegnungen hat er einen logischen Ansatz: „In wenigen Jahren, wenn das E-Mountainbiken in alle Bikerschichten vorgedrungen sein wird, wird es Sinn machen, auch Bergaufstrecken zu bauen. Ziel ist die Entflechtung von aufwärts- und abwärtsfahrenden Bikern.“ Vor allem wenig frequentierte oder ungenützte Wege könne man für das Hinauffahren reaktivieren.

Für das Downhillen hat sich das Angebot in den vergangenen Jahren deutlich erhöht, inzwischen gibt es über 60 offiziell vom Land Tirol genehmigte Singletrail-Strecken. Stöhr verweist als ein Musterbeispiel auf den im vorigen Jahr fertiggestellten Arzler-Alm-Trail: Seit August 2016 bis März 2017 wurden 9000 Abfahrten gezählt. „Alle, die in diesem Bereich früher auf Wegen durch den Wald sind, fahren jetzt auf dem Trail“, sagt er.

Kaum noch eine Spur von Wald-Rowdys, jeder hat seinen Weg, Wanderer und Radfahrer. Die motorisierten Uphill-Biker fahren hingegen noch auf einem schmalen Grat.