Armut bedingt mehr Pflege
Martin Schenk erklärt, dass es speziell für Frauen schwierig ist, die Altersarmut zu verhindern.
Wie viele Österreicher sind altersarm?
Martin Schenk: 200.000 Alte (12 %) sind von Einkommensarmut betroffen. Davon sind 47.000 (3 %) manifest arm. Das heißt: Sie können die Wohnung nicht warm halten, nicht 1 x im Monat Freunde einladen, sind mit Zahlungen im Rückstand, können keine unerwarteten Ausgaben tätigen. Österreich liegt bei der Altersarmut unter dem OECD-Schnitt. Das weist auf die präventive Wirkung des Sozialstaats hin. Prekäre Lebensverhältnisse nehmen jedoch zu.
Ist Armut mitverschuldet, da reduziert gearbeitet wurde?
Schenk: Das höchste Risiko, auf eine Mindestpension angewiesen zu sein, haben Frauen, selbst wenn sie längere Versicherungsdauer aufweisen, aber in ihrem Leben niedrige Einkommen mit längeren Teilzeitphasen bezogen haben. Ursachen gibt es mehrere: Niedrige Einkommen, längere Arbeitslosigkeit, Teilzeit, vorzeitige Erwerbsunfähigkeit oder Krankheiten.
War es ein Fehler, dass nicht mehr die besten Jahre zählen?
Schenk: Für Frauen, die lange bei den Kindern sind und sich in der Pflege Angehöriger engagieren, ist die lange Durchrechnungszeit ein Problem. Die schlechtere Bewertung der Zeiten, in denen man arbeitssuchend war, wirkt sich auch aus.
Wie kann man die Pensionslücke auffüllen?
Schenk: Vor Altersarmut schützen guter Lohn, durchgängige Erwerbszeiten, keine Krankheit, stabile Beziehungen, keine Arbeitslosigkeit, keine Kinder und keine pflegebedürftigen Angehörigen. Das zeigt, dass wir nicht alles im Griff haben. Helfen würden Maßnahmen wie die Anhebung der Mindestlöhne. Frauen ihre eigenständigen Versicherungsleistungen zuzugestehen sind ebenso notwendige Maßnahmen wie die höhere Bewertung der Kinderbetreuungszeiten und bessere Anrechnung von Karenzzeiten.
Das Pensionsantrittsalter wird angehoben, die Belastung durch die Arbeit steigt. Wie geht das zusammen?
Schenk: Ganz viele schaffen das nicht. Gesundheitsprävention im Job ist wichtig. Wir müssen auch aufpassen, keinen künstlichen Niedriglohnmarkt zu produzieren — wie Hartz IV in Deutschland. So wie jetzt bei uns die Mindestsicherung diskutiert wird, hat die Debatte dort angefangen und in der Armutsfalle geendet.
Oft stellen sich mit dem Alter Leiden ein. Wie teuer kommt das Alter?
Schenk: Armut macht krank und Menschen schneller zum Pflegefall. Mit geringerem Einkommen steigt nicht nur das Sterberisiko, sondern auch die Dauer der Pflegebedürftigkeit.
Wäre das Grundeinkommen eine Lösung?
Schenk: Wir haben die Ausgleichszulage, die ist eine Art Grundsicherung im Alter. Man braucht dafür die Versicherungszeiten. Wer diese nicht hat, landet im Alter in der Dauer-Sozialhilfe. Eine echte Grundpension könnte helfen.
Das Interview führte Alexandra Plank