Deutsche Bank-Anlageexperte fordert mehr sozioökonomische Bildung
Wien/Frankfurt (APA) - Der globale Chefanlagestratege des Wealth Managements der Deutschen Bank, Markus Müller, hat sich am Montag in Wien f...
Wien/Frankfurt (APA) - Der globale Chefanlagestratege des Wealth Managements der Deutschen Bank, Markus Müller, hat sich am Montag in Wien für mehr sozioökonomische Bildung in den Schulen und einem Bekenntnis zu Forschung und Entwicklung ausgesprochen. Die Digitalisierung sieht er als den Katalysator für neuen globalen Handel. Investieren sollte man in Zukunftstechnologien. 2017 werde ein spannendes Jahr.
Seit dem Zweiten Weltkrieg bestehe weltweit ein Trend zu abnehmenden Wirtschaftswachstumsraten, aber auch die Produktivität gehe zurück, so Müller bei einem Pressegespräch. Die Frage stelle sich auch, wie eine Volkswirtschaft aufgebaut sein müsse, damit jeder am globalen Wachstum teilhaben könne. In der US-Regierung etwa fehle das Bewusstsein, dass Jobs nicht mehr so aus dem Ausland zurückkommen, wie sie weggegangen seien. Die Anforderungsprofile seien viel höher geworden.
Die Arbeitslosigkeit in den Industrieländern sei zu hoch, das Aufbegehren in der Bevölkerung wachse, so Müller weiter. Die alten Parteien könnten die Bedürfnisse nicht mehr abdecken, weshalb die Parteienlandschaft immer mehr zersplittere.
Der Anlageexperte fordert ein allgemeines Bekenntnis zu Forschung und Entwicklung: „Innovation muss ein integraler Bestandteil unseres sozioökonomischen Lebens werden. Gesellschaft, Politik und Ökonomie sind nicht getrennt.“
Als neuen Katalysator für globalen Handel sieht Müller die Digitalisierung. In die damit verbundenen Zukunftstechnologien sollte investiert werden, auch wenn sie erst in fünf bis zehn Jahren bedeutsam werden dürften.
Zu den disruptiven Technologien, die die weitere Wirtschaftsentwicklung prägen werden, zählt Müller unter anderem das Mobile Internet, die Automatisierung von Wissensarbeit, die Themen „Cloud“ und „Internet der Dinge“, fortgeschrittene Robotik oder autonome Fahrzeuge. Alleine dem Mobilen Internet wird ein geschätztes Marktpotenzial von 4 bis 11 Billionen US-Dollar zugetraut.
Trotz der vielen Unsicherheiten geht der Anlagestratege davon aus, dass die Zinsen in diesem Jahr auf den Rentenmärkten relativ niedrig bleiben werden. Die zehnjährige deutsche Benchmark-Anleihe sollte maximal auf 0,8 Prozent steigen, die zehnjährige US-Benchmarkanleihe auf maximal 3,0 Prozent. Aktuell rentiert das deutsche Papier bei rund 0,45 Prozent, das US-Papier bei rund 2,40 Prozent.
Für den Fall, dass Marine Le Pen die französischen Präsidentschaftswahlen gewinnen sollte - womit Müller aber nicht rechnet -, sei zwar mit erhöhter Volatilität an den Finanzmärkten zu rechnen, aber nicht so stark, wie bei der globalen Finanzkrise. Für einen von Le Pen propagierten Euro-Austritt sieht Müller nur sehr geringe Chancen. Es gebe sehr viele „Wenn und Aber“, etwa verfassungsrechtlicher Natur. Wie auch immer die Wahlen ausgehen, eines ist für Müller aber sicher: „Die europäische Realität wird sich ändern müssen.“ Sonst werde man die heutigen Diskussionen in vier Jahren wieder führen müssen.
Den europäischen Aktienmarkt sieht der Anlageexperte generell attraktiver bewertet als den US-amerikanischen. Auch die Aktienmärkte der Schwellenländer seien relativ attraktiv bewertet. Angesichts dessen, dass der US-Aktienmarkt seit der Wahl von Donald Trump über 12 Prozent dazugewonnen hat, sollten sich die Investoren dort vorsichtig positionieren und Europa bevorzugen. Lateinamerika sei dagegen relativ unattraktiv.
In den USA erwartet Müller bis zu drei weitere Zinsschritte von derzeit 0,75 bis 1,00 auf 1,50 bis 1,75 Prozent. Damit hätten die USA dann auch wieder mehr Raum für Zinssenkungen im Falle eines neuerlichen Abschwungs. In Europa dürfte die Lockerung der EZB-Geldpolitik im Herbst ein prägendes Thema werden.
~ ISIN DE0005140008 WEB https://www.deutsche-bank.de/index.htm ~ APA285 2017-04-03/13:58