Glaubenskrieger

Wortgefechte und Gottes Schweigen

© Concorde

Mit „Silence“ stellt Martin Scorsese die Unvereinbarkeiten fanatischer Glaubenskrieger aus – und verliert das Vertrauen in die eigenen Bilder.

Innsbruck –Als die Jesuiten-Padres Rodrigues (Andrew Garfield) und Garpe (Adam Driver) um 1640 von Lissabon nach Japan aufbrechen, ist das missionarische Projekt in Fernost bereits gescheitert: Das Tokugawa-Shogunat zwingt Konvertiten unter Folter, dem importierten Glauben abzuschwören, Missionare werden verfolgt. Dass Rodrigues und Garpe daran wenig ändern können, steht außer Zweifel. Selbst hochrangige Würdenträger raten ihnen von der beschwerlichen Reise ab. Doch die „Zwei-Mann-Armee Gottes“ verfolgt eine andere Mission: Es gilt, ein Gerücht zu widerlegen, das inzwischen Europa erreicht hat. Auch ihr Mentor Ferreira (Liam Neeson) soll vom Glauben abgefallen sein: eine Vorstellung bar aller Vorstellung.

Seinen Kernkonflikt entblättert Martin Scorseses neuer Film „Silence“ bereits in dieser einleitenden Sequenz: Was passiert, wenn die eigene Wahrheit auf andere Wahrheiten trifft? In den folgenden gut zweieinhalb Stunden spitzt „Silence“ diese Frage zu – und unterstreicht ihren existenziellen Charakter. Denn der, der letzte Wahrheiten beglaubigt, nennen wir ihn Gott, schweigt. Das Wort führen jene, die sich für berufen halten. „Silence“ ist zunächst einmal eine eindringliche Auseinandersetzung mit Hochmut und Selbstgefälligkeit.

Am stärksten ist der Film, wenn die Widersprüche, die Scorsese als formal strenge Streitgespräche zwischen Padre Rodrigues und dem japanischen „Inquisitor“ Inoue (Issey Ogata) inszeniert, nicht aufgelöst werden. Sondern die Unvereinbarkeit fanatischer Besserwisser ausgestellt wird. Die Möglichkeit, sich mit einer der beiden Positionen zu identifizieren, gestattet „Silence“ den Betrachtern nicht. Es mag auch an diesem Mangel an massentauglicher Schwarz-Weiß-Malerei liegen, dass der Film in den USA gewaltig floppte.

Während der Film Garrpe schnell aus den Augen verliert, wird Rodrigues zum Gefangenen Inoues. Körperliche Qualen bleiben ihm erspart, der Scharfrichter erprobt eine neue Foltermethode: Schwört er ab, rettet er Zahllosen das Leben. „Ein getöteter Priester ist wertlos, einer, der vom Glauben abfällt, unbezahlbar“, erklärt der Inquisitor. Will heißen: Es geht hier weniger um den rechten Glauben, sondern um Macht und mörderische Versuche, diese zu erhalten. Zugegeben: eine banale Erkenntnis. Richtig bleibt sie trotzdem. Scorsese und sein für einen Oscar nominierter Kameramann Rodrigo Pietro deklinieren sie in bisweilen drastischen, atemberaubenden Bildfolgen durch.

Dass Scorsese der Kraft dieser Bilder nicht vertraut und sie immer wieder mit um Bedeutung bemühten Voice-Over-Kommentaren ergänzt, ist ein Wermutstropfen. Zumal die salbungsvollen Sätz­e dem, was Blicke, Szenenbild, Schnittfolgen und ein überaus effektiv eingesetzter Score bereits sagten, nichts hinzufügen. (jole)