Immer mehr Schweizer setzen auf Einkaufen ohne Verpackung

Bern (APA/sda) - Weniger Abfall - das fängt für viele Schweizer Konsumenten schon beim Einkaufen an. Nun hat auch der Detailhandel das Bedür...

Bern (APA/sda) - Weniger Abfall - das fängt für viele Schweizer Konsumenten schon beim Einkaufen an. Nun hat auch der Detailhandel das Bedürfnis erkannt. Sogenannte „Unverpackt-Läden“ sind darum auf dem Vormarsch. Ein Beispiel dafür ist das Geschäft „Chez Mamie“ in der Walliser Kantonshauptstadt Sitten. Angeboten werden rund 350 Bio-Fairtrade-Produkte und Bioprodukte aus der Region.

„Noch vor der Eröffnung im Mai 2016 haben wir viele Anfragen erhalten, ob es eine Möglichkeit gebe, eine Filiale in einer anderen Stadt zu eröffnen“, sagte Miteigentümerin Eslyne Charrier. Die Gründer waren darüber zwar etwas erstaunt, da nicht vorhersehbar war, wie sich das Geschäft entwickeln würde. Sie starteten aber in der Folge ein Franchise-System. Inzwischen gibt es sieben Filialen, davon vier im Wallis und je eine in den Kantonen Waadt, Zürich und Bern. Es sollen weitere folgen.

Das Wachstum von „Chez Mamie“ ist Teil eines sich langsam abzeichnenden Trends. Auch in Luzern, Basel, Winterthur und Zürich gibt es „Unverpackt-Läden“. Ihre Vorbilder stammen aus Berlin, aber auch aus den USA. Auch in Wien gibt es zumindest zwei Geschäfte. Bea Johnson gehört zu jenen Personen, die dem Trend ein Gesicht geben. Auf ihrem Blog „zerowastehome“ beschreibt sie, wie sich ihr Leben ohne Abfall anfühlt, nämlich glücklich und sinnvoll.

Allerdings sind die „Unverpackt-Läden“ genau dort entstanden, wo die letzten Bastionen gegen die Abfallsackgebühren sind. So führt das französischsprachige Unterwallis diese erst Anfang 2018 ein. Das ist 43 Jahre nach der Stadt St. Gallen, die als erste Schweizer Gemeinde eine Gebühr auf Müllsäcke eingehoben hatte.

Laurianne Altwegg von der Westschweizer Konsumentenorganisation FRC hat festgestellt, dass der übliche Kunde dieser Geschäfte weiblich ist, jung, städtisch und aus der oberen Mittelklasse. Besitzer dieser Läden bestätigen dies. Ganz viele, vor allem junge Leute, würden bei ihr einkaufen, stellt etwa Solene Laurenceau von „Obio Partage“ in Marly fest. Gleiches hört man bei „Nature en Vrac“ (Natur ohne Verpackung) in Genf.

Bei „Chez Mamie“ kaufen aber auch viele Mütter zwischen 25 und 40 Jahren mit ihren Kindern ein, wie Eslyne Charrier feststellt. Dabei gehe es auch darum, die Sprösslinge zu erziehen. In kleineren Geschäften seien Kunden eher bereit, mehr für die angebotenen Bio-oder regionalen Produkte zu bezahlen, als in großen Supermärkten. Laut Charrier müssen sie dadurch aber nicht zwangsläufig mehr für ihre Lebensmittel ausgeben, weil sie nur die Menge kaufen, die sie auch konsumieren. Das könne sogar günstiger sein.

Diese Einschätzung teilt auch die Konsumentenschützerin Altwegg. Ihrer Meinung nach sind unverpackte Lebensmittel zwar immer noch Nischenprodukte. Aber ihr Umsatz dürfte mit der Einführung von Müllsackgebühren in weiteren Kantonen ansteigen. Die Konsumenten würden dann die Verpackung reduzieren, um ihre Entsorgungsgebühren zu reduzieren.

Wie Verpackung im Müll landet, ist laut Bundesamt für Umwelt (Bafu) nicht ganz klar. „Bei der letzten Untersuchung der Zusammensetzung des Hausmülls in der Schweiz im Jahr 2012 wurde der Abfall in seine stoffliche Fraktionen – unabhängig von ihrer Funktion als Produkt oder Verpackung – eingeteilt“, so Bafu-Experte Michael Hügi. Es könne lediglich grob abgeschätzt werden, dass rund ein Drittel Verpackungsmaterial sei.

Auch die beiden Handelriesen Migros und Coop wollen weniger Verpackung. So habe man leichtere PET-Flaschen oder schweiße gewisse Bio-Früchte und -Gemüse nicht mehr in Plastikfolien ein, sagte Coop-Sprecherin Angela Wimmer: „Insgesamt haben wir in den vergangenen fünf Jahren rund 3.000 Tonnen Verpackungsmaterial eingespart.“

Bei Migros hieß es, dass sie zwischen 2013 und 2016 insgesamt 2.726 Tonnen Verpackungsmaterial ökologisch optimiert, indem sie Verpackungsmaterial reduziere oder umweltfreundliche Materialien verwende, sagte Sprecherin Christine Gaillet. „Rein ökologisch betrachtet, ist es nicht sinnvoll, gänzlich auf Verpackungen zu verzichten, da sie die Produkte bestmöglich beim Transport und vor dem Verderb schützen.“ Die Verpackung eines Lebensmittels trage nur zu einem sehr kleinen Teil zur Umweltbelastung des gesamten Produktes bei – in der Regel liege dieser unter vier Prozent.