Konzert

Seelen zum Schwingen bringen

Jean-Guihen Queyras (M.) mit Sokratis Sinopoulos und den Brüdern Chemirani beim Osterfestival.
© OFT/Fuentes

Entlang der geographischen Breitengrade zeigte die instrumentale Besetzung von „Spuren/T(h)races“ einen Brückenschlag zwischen den Musiktraditionen des Orients und Okzidents.

Hall –Im Konzert „Spuren/T(h)races“ unternahm das Osterfestival am Dienstag im Haller Salzlager eine Spurensuche in die älteste Kulturlandschaft Europas, nach Thrakien. Entlang der geographischen Breitengrade zeigte die instrumentale Besetzung wie auch die Programmierung einen Brückenschlag zwischen den Musiktraditionen des Orients und Okzidents. Hierfür fand sich der französische Ausnahmecellist Jean-Guihen Queyras mit dem griechischen Meister der Lyra Sokratis Sinopoulos und den Brüdern Keyvan und Bijan Chemirani zusammen, die beide das Spiel auf der traditionellen iranischen Kelchtrommel (Zarb) sowie den großen Rahmentrommeln (Daf) perfekt beherrschen.

Zwischen schwingenden Saiten und Membranen kreierten die vier Musiker eine kluge Symbiose in Klang- und Ausdrucksqualität, um die Netze der Gemeinsamkeiten in der Musik verschiedener Kulturen nachzuzeichnen.

Als perfekten Türöffner in die Klangwelt des Abends wählte Queyras zur Einstimmung ein Solostück von Marco Stoppa, um die Ohren durch die veränderte Stimmung und dem leicht fahrigen Charakter vorzubereiten. Das Folgestück „Karsilama“ zeigte fein fabulierend und leise die Themen der Musik beider Welten: Gerade vom Klang der Lyra ging der Topos der unstillbaren Sehnsucht, der Suche nach Erlösung, aus, die vom treibenden Trommelspiel begleitet wurde. Dieses zeichnete sich durch die elaborierte 10-Finger-Technik aus hellen, schnalzenden Kantenschlägen aus, die zart vorwärts treibend die Musik Fahrt aufnehmen ließen. Das Cello fügte sich perfekt in die filigrane orientalische Ornamentik ein, um eine Verbindung der Welten auch klanglich spürbar werden zu lassen.

Die Programmierung sah zeitgenössische Solowerke für Cello von Kurtág und Lutoslawski (mit orientalischen Anleihen) vor, die ohne Pause zwischen den Einzelstücken („attacca“) aufgeführt, wieder eine perfekte Verbindung kreierte. Man wollte dem Ensemble bis in die frühen Morgenstunden lauschen und seine Seele (im ungeraden Takt) in Schwingung versetzen lassen, im Bewusstsein, dass unser aller Kulturgeschichte eine gemeinsame ist. (cp)