Pressestimmen zum mutmaßlichen Giftgasangriff in Syrien
Damaskus (APA/dpa/AFP) - Die Zeitungen kommentieren am Mittwoch den mutmaßlichen Giftgasangriff in Syrien:...
Damaskus (APA/dpa/AFP) - Die Zeitungen kommentieren am Mittwoch den mutmaßlichen Giftgasangriff in Syrien:
„Guardian“ (London):
„Europa ist zutiefst besorgt, nicht zuletzt angesichts der möglichen Folgen für seine eigene Sicherheit, und es hat erneut geltend gemacht, dass (der syrische Präsident) Assad in der Zukunft keine Rolle mehr spielen darf. Dass Europa jedoch nur eingeschränkte Möglichkeiten hat, wird durch die Tatsache unterstrichen, dass der Angriff nur wenige Stunden vor dem Beginn einer zweitägigen Konferenz der UNO und der EU in Brüssel über Syriens Zukunft erfolgte. (...)
Mehr als 190 Staaten, darunter Syrien, haben die Konvention zum Verbot von Chemiewaffen unterzeichnet. Inzwischen warnen Experten, dass deren Einsatz wieder als normal betrachtet werden könnte. Die internationale Gemeinschaft, die sich an die Verwendung von Chlorin als Waffe scheinbar bereits gewöhnt hatte, ist über den Angriff am Dienstag wegen der hohen Zahl von Toten sowie wegen des Verdachts auf den Einsatz von Sarin entsetzt.
Wenn man die Täter schon nicht stoppen konnte, so müssen nun wenigstens alle Anstrengungen unternommen werden, um sie irgendwann vor Gericht stellen zu können. Sollte sich die Straflosigkeit als dauerhaft erwiesen, könnte eine solche Tragödie für das syrische Volk auch katastrophale Folgen für viele andere haben.“
„de Volkskrant“ (Amsterdam):
„Russland leugnet, ebenso wie Syrien, jegliche Beteiligung. Dennoch ist Moskau, obwohl es eine große Rolle bei der Entsorgung syrischer Chemiewaffen spielte, als militärischer Bündnispartner weitgehend mitschuldig an den Verbrechen der syrischen Armee.
Der heutige (und zur Zeit einzige) ‚Plan‘ für Syrien besteht im Wegbombardieren der Opposition von (Syriens Präsident Bashar al-) Assad. Und das mit überproportionaler Gewalt unter dem Deckmantel eines schlappen ‚Friedensprozesses‘.
Selbst dieser Plan droht nun zu versagen. Für das Weiße Haus stellt ein Regimewechsel nicht länger eine Option dar, aber auch Präsident Trump muss sich fragen lassen, ob die Untätigkeit Amerikas nicht zu weit geht.“
„El Pais“ (Madrid):
„Der brutale Angriff mit Giftgas, der gestern auf die Bevölkerung im syrischen Khan Sheikhoun verübt wurde - einem Gebiet, das von Rebellen kontrolliert wird, die gegen die Diktatur von Bashar al-Assad sind - ist ein neuer Beweis dafür, dass in diesem Bürgerkrieg, der seit sechs Jahren andauert, alle zulässigen Grenzen bezüglich der internationalen Vereinbarungen zur Kriegsführung überschritten werden.
Der Einsatz chemischer Waffen ist ein Kriegsverbrechen an sich, aber er ist noch verwerflicher - wenn das überhaupt möglich ist - wenn sich unter den Todesopfern Zivilisten befinden, darunter mindestens ein Dutzend Kinder. (...) Die Grausamkeit, mit der der Angriff zu einer Stunde durchgeführt wurde, in der die Mehrheit der Bevölkerung völlig ahnungslos schlief, zeigt die vorsätzliche und mit nichts zu rechtfertigende Grausamkeit seiner Autoren.“
„Neue Zürcher Zeitung“ (Online-Ausgabe):
„Die syrische Opposition rief den UN-Sicherheitsrat zu einer sofortigen Sitzung und zu Ermittlungen auf. Die Syrische Nationale Koalition forderte Maßnahme, damit die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen würden. Dazu bedürfte es indes eines massiven Drucks des Westens und vor allem der USA. Ob der neue amerikanische Präsident Donald Trump dazu bereit ist, scheint jedoch fraglich.
Seine Regierung konzentriert sich auf den Kampf gegen den IS und hat wenig Interesse, die von islamistischen Kräften dominierten Rebellen in der Provinz Idlib zu unterstützen. In welch tiefem Dilemma Trump dadurch steckt, zeigt indes der Kommentar seines Pressesprechers: Assads ‚abscheuliches Vorgehen‘ sei die Folge von Obamas Schwäche, meinte Sean Spicer am Dienstag. Dabei muss sich Assad doch gerade jetzt ermutigt fühlen, da die amerikanische UN-Botschafterin kürzlich erklärt hat, sein Sturz habe für Washington keine Priorität mehr.“
„La Croix“ (Paris):
„Das erste Ziel ist es, die Zivilbevölkerung zu terrorisieren. Womöglich soll sie aus der Stadt Khan Sheikhoun gedrängt werden, um eine spätere Offensive vorzubereiten. Eine weitere Absicht könnte sein, (US-Präsident) Donald Trump zu testen, dessen Haltung gegenüber dem syrischen Regime bisher zögerlich ist. Wenn er den Einsatz von Giftgas nicht als ‚rote Linie‘ sieht, die zu Zwangsmaßnahmen führt, würde dies die Lage von (Syriens Präsident) Baschar al-Assad stärken. Ein solches Kalkül ist erschreckend, wenn es Menschenleben in Kauf nimmt.“