Kleiner Hubraum, großer Auftrag
BMW definiert die Zweirad-Einstiegsklasse neu. Die G 310 R legt den Grundstein für eine komplette Baureihe.
Von Beatrix Keckeis-Hiller
Fuschl am See –Die Zweiradabteilung von BMW geht in die Breite. Die bestehenden Segmente werden breiter aufgestellt, die F-, R-, S-, C-Baureihen kontinuierlich um eine Reihe von Derivaten erweitert. Neu definiert wurde jetzt, nach dem Auslaufen der 650-ccm-Einzylinder-Familie vor zwei Jahren, die G-Baureihe. Damit steigen die Bayern erstmals ins Motorrad-Segment unter 650 ccm ein (abgesehen vom Intermezzo des bedachten C1 125 und 200 mit Rotax-Einzylinder, von 2000-2003, der in die Scooter-Klasse gehört hat).
Startmodell ist die G 310 Roadster. Befeuert wird sie von einem eigenentwickelten 313-ccm-Einzylinder-Aggregat, das 34 PS leistet. Die Neue mit dem kleinen Hubraum wird mit einem großen Auftrag losgeschickt. Sie zielt, mit A2-Führerschein-gerechter Auslegung, auf die Motorrad-Einsteiger ab. Für die finale Entwicklung und Produktion haben sich die Bayern mit dem indischen Fahrzeughersteller TVS Chennai, zusammengetan, um – gar nicht nebenbei – auch auf den asiatischen Märkten verstärkt Fuß zu fassen.
Bei aller Kleinheit hat BMW alles daran gesetzt, die G 310 R, mit 785 Millimetern Sitzhöhe, als erwachsenes Motorrad und als echte Bayerin zu kreieren. Das inkludiert unter anderem eine Upside-down-Gabel, eine wirklich wirkungsvolle Bremsanlage und nicht zuletzt die markentypische Optik. Dass Letzteres gelungen ist, zeigte sich beim ersten Österreich-Auslauf der kleinen Roadster rund um den Fuschlsee in Salzburg. Man wird ernst genommen. Auch deshalb, weil die 34 PS mit Drehfreude und spontanem Druck aus dem Einzylinder gefeuert werden. Dazu kommt vertrauenerweckende Spurstabilität, sowohl jenseits der 130 km/h auf der Geraden als auch im engen Kurvengewinkel, etwa entlang des Hintersees, wo Agilität und Bremsspontaneität besonders auf dem Prüfstand stehen. Überzeugend wirkte, neben der Verarbeitung, die Ergonomie. Man sitzt kommod und dennoch fahraktiv, fühlt sich – angenehm – zurückversetzt in die 1970er und 1980er, als einzylindrige, unkomplizierte Leichtgewichte die Motorradwelt bunter machten. Und konsumierbarer für kleine Leute, die auch mit dem moderaten Gewicht der Roadster – laut Technik-Daten knapp unter 160 Kilo fahrfertig – gut zurande kommen dürften.
Die Roadster legt den Grundstein für eine ganze Baureihe. Das Erfolgs- und Volumensthema GS zum Beispiel transponieren die Bayern in weiterer Folge auch in die neue Klein-Klasse: Die G 310 steht in einer hochbeinigen Version in den Startlöchern, mit 835 mm Sitzhöhe (ein noch niedrigerer Sattel ist orderbar). Sie wird nicht wesentlich mehr Gewicht mitbringen als die Roadsterin.
Insgesamt wartet BMW für heuer, zusätzlich zur G 310 R, mit vierzehn überarbeiteten respektive neu definierten Modellvarianten auf. Einer der Hintergründe dafür sind die seit 1.1.2017 geltenden Vorschriften bezüglich Emissionswerten (Euro 4) und Technik (Onboard-Diagnose): Allen voran ist die R 1200 GS, Flaggschiff der Marke, samt den Sondereditionen Rallye und Exclusive. Die R nine T kann man nun auch als Racer- als Pure- und als (Urban) GS-Derivat ordern. Aktualisiert ist die zweizylindrige F-Baureihe, mit 800 R, 800 GT und 800 GS Adventure. Auf neuesten Stand gebracht wurde die Hypersportlerin S 1000 RR, ebenso ihre Ablegerinnen R und XR. Upgedatet sind die großen Tourerinnen K 1600 GT und GL. Damit ist das Portfolio der 2017er-Neuheiten noch nicht ganz ausgeschöpft: Im August wird das neueste K-Derivat, die B – steht für „Bagger“ – starten. Für September angesagt ist die Exklusiv-Serienversion der Carbon-S 1000 RR, der HP4 Race.
Die G 310 R kostet ab 4950 Euro. Sie ist bereits im Handel. Der Preis für die GS steht noch nicht fest. Sie ist ab kommendem Herbst zu haben.