Avantgardist mit Humor: US-Dichter John Ashbery wird 90

New York (APA/dpa) - Seit mehr als 60 Jahren veröffentlicht John Ashbery Gedichtbände und hat dafür fast jeden erdenklichen Preis bekommen. ...

New York (APA/dpa) - Seit mehr als 60 Jahren veröffentlicht John Ashbery Gedichtbände und hat dafür fast jeden erdenklichen Preis bekommen. Der in Rochester im US-Bundesstaat New York geborene Poet wird zu den einflussreichsten und bedeutendsten US-Dichtern der Gegenwart gezählt. Der Literaturkritiker Harold Bloom sprach sogar von einem „Zeitalter des John Ashbery“. Morgen, Freitag (28. Juli), wird er 90 Jahre alt.

So etwa zehnmal im Monat - „wenn nichts dazwischenkommt“ - macht sich John Ashbery ans Schreiben. „Das sieht so aus, dass ich am Nachmittag in meiner Wohnung herumsitze und darüber nachdenke, ob es schon zu spät ist, um überhaupt noch etwas zu schreiben“, sagte der US-Dichter einmal der „Huffington Post“. „Gegen vier oder fünf mache ich mir dann eine Tasse Tee, die ich trinke, während ich Gedichte lese. Nach einer Zeit fange ich entweder an zu schreiben oder mache Feierabend.“ Mit dieser äußerst entspannt wirkenden Arbeitseinstellung hat er riesige Erfolge einheimsen können.

Dabei habe er eigentlich nie Dichter werden wollen, sagte Ashbery einmal der „Paris Review“. „Ich habe mich nie bewusst für eine Karriere als Poet entschieden. Ich habe angefangen, einige kleine Verse zu schreiben, aber hätte nie gedacht, dass die veröffentlicht werden würden, oder dass ich einmal Bücher veröffentlichen würde. Damals war ich noch in der Schule und hatte noch keine moderne Poesie gelesen.“ Dann gewann eines seiner Gedichte einen Wettbewerb, und als Preis gab es einen modernen Gedichtband, der Ashbery faszinierte.

Er selbst sei von seiner Karriere völlig überrascht worden, sagt Ashbery, der in der Schule als Einzelgänger galt, aber so gute Noten bekam, dass er auf die Elite-Universität Harvard gehen konnte. Er sehe inzwischen aber auch seinen Einfluss auf die Entwicklung des Genres. „Ich will nicht eingebildet klingen, aber einige der formellen und mentalen Experimente, die ich begonnen habe, haben Auswirkungen auf die US-Poesie gehabt.“

Seine Gedichte seien von Musik beeinflusst, sagt Ashbery. „Mich begeistert die Musik des Gehirns, und die will ich mit Worten abbilden, oder das zumindest versuchen. Fast immer höre ich Musik aus meiner Plattensammlung während ich schreibe.“ Am liebsten moderne Klassik.

Ashberys Poesie ist avantgardistisch und häufig surreal, geprägt von Humor und Spontanität. Es geht um die Erfahrung des Bewusstseins und den Zusammenhang von Chaos und Kunst. Vielen scheint sein Werk aber extrem schwer zugänglich. „Nur wenige Dichter haben unseren Wunsch nach Bedeutung so schlau manipuliert oder gefoltert wie er“, schrieb ein Kritiker. Die „New York Times Book Review“ bescheinigte Ashbery ein „gedämpftes, gleichzeitig unverständliches und intelligentes Flüstern mit einem merkwürdig pulsierenden Rhythmus, der wie eine Welle zwischen Spitzen der scharfen Klarheit und obskuren Dürren changiert“.