Gedämpfter Knall, große Freude
Vom Inntal ins Wipptal: Der 55 Kilometer lange Brennerbasistunnel verbindet die beiden Täler unterirdisch. Gestern erfolgte der Durchschlag beim größten Eisenbahntunnel Europas.
Von Anna-Lena Winsauer
Innsbruck –Ein Durchschlag mit Symbolkraft: Mit dem Verbindungstunnel vom Unterinntal zum Wipptal wurde gestern Nachmittag ein weiterer Meilenstein beim geplanten 55 Kilometer langen Brennerbasistunnel gesetzt. Das Baulos „Tulfes-Pfons“ soll mit seinen 38 Kilometern Tunnelvortrieb bis zum Sommer 2019 fertig gestellt werden.
Über 300 Mineure und Techniker sowie 130 Gäste fieberten am Donnerstag der symbolisch letzten Sprengung live vor Ort entgegen. Nach einer holprigen Fahrt mit dem Shuttlebus, die einer Geisterbahnfahrt glich, konnte endlich der Tunnelboden betreten werden. Im hinteren Teil des Tunnels steht ein hell erleuchteter Altar, dahinter aufgefädelt die Flaggen von Südtirol, Italien, Tirol, Österreich und der Europäischen Union.
Konrad Bergmeister, Vorstand der Brennerbasistunnelgesellschaft, freut sich über den Baufortschritt: „Wir feiern hier einen der wichtigsten Durchschläge. Das Ganze ist ein europäischer Prozess. Denn wir müssen lernen, aufeinander zu hören, und das zum Wohle der Wirtschaft und unseres Lebensraums. Vor allem aber für die Zukunft unserer Kinder.“
Der Haupttunnel zwischen Tulfes und Pfons umfasst zehn Kilometer. Dazu kommen noch ein neun Kilometer langer Rettungsstollen von Tulfes nach Ampass sowie ein 15 Kilometer langer Erkundungsstollen von Ahrental nach Pfons. Bereits über 26 Kilometer von insgesamt 38 Kilometern Tunnel sind ausgebrochen.
Der Industrielle Hans Peter Haselsteiner von der ausführenden Baufirma Strabag zeigte sich bei der Durchschlagsfeier erleichtert: „Ich habe schon viele Durchschlagsfeiern miterlebt und ich weiß, die Anschlagsfeiern sind uns lieber.“ Aber bei insgesamt 45 Kilometern Vortrieb ohne einen tödlichen Arbeitsunfall könne man nur dankbar sein. „Burschen, ihr könnt es einfach“, bedankte er sich bei seinen Mitarbeitern.
Auch EU-Tunnelkoordinator Pat Cox hatte Grund zur Freude: „Ich möchte heute allen Mitarbeitern gratulieren, die am längsten Tunnel Europas mitgearbeitet haben. Wir werden diesen Nachmittag genießen, danach geht es aber wieder an die Arbeit, wir wollen ja rechtzeitig fertig werden.“ Cox drehte die Kurbel, die die symbolische Sprengung schließlich auslöste.
Gespannt warteten die Gäste auf den Moment, manche hielten sich sicherheitshalber die Ohren zu. So laut war es dann doch nicht, aber immerhin deutlich am Herzen zu spüren. Dann fiel der Vorhang. Der Nebel verdeckte aber erst einmal die Sicht. Wenige Minuten später war es dann zu erkennen, hinter einem großen Transparent mit der Aufschrift „Hier entsteht der Brennerbasistunnel“ geht es noch weiter.
Die Idee von einem Tunnel gab es schon vor 170 Jahren. Doch erst 2007 wurde mit den Erkundungen im Südtiroler Aicha begonnen, im Dezember 2009 erfolgte dann der Startschuss im Bundesland Tirol. Vom gesamten Tunnelvortrieb (Haupttunnel, Erkundungsstollen sowie Verbindungen) wurden bisher etwa 30 Prozent ausgebrochen, das sind knapp 70 Kilometer. Insgesamt 230 Kilometer werden in das Brennermassiv gebohrt. Mehr als 80 Prozent aller Bauarbeiten sind laut Bergmeister mittlerweile auch ausgeschrieben. Als Nächstes erfolgt die Vergabe des größten Bauloses „Pfons-Brenner“. Das Auftragsvolumen beträgt dafür rund 1,3 Milliarden Euro.
Regelbetrieb wird für 2027 eingetaktet
Der Bau des Tunnels ist das eine, die weiteren Planungen sind das andere. Und da geht es bereits um den Betrieb des Tunnels. Wie der Chef der Basistunnelgesellschaft BBT SE, Konrad Bergmeister, betont, wird der Bau 2026 fertig gestellt, der Testbetrieb dann aufgenommen. Der Regelbetrieb im Tunnel wird für 2027 eingetaktet. Mit dem Bau liegt die BBT SE im Plan. „Wir denken aber schon voraus. Bei diesem grenzüberschreitenden Projekt müssen viele Details geklärt werden“, sagt Bergmeister.
Am 2. August wird in Rom eine Vorentscheidung darüber fallen, welche Betriebsregeln im Tunnel dereinst gelten. Wahrscheinlich kommt es zu einem Novum und es werden eigene, aber einheitliche Regeln für den Brennertunnel ausgearbeitet. Für die Instandhaltung sind die ÖBB und die italienischen Staatsbahnen dann zuständig, die BBT wird in Österreich den Betrieb an die ÖBB übergeben.
Im Winter 2018 könnte mit dem Abschnitt „Sillschlucht-Pfons“ das letzte Baulos des Brennerbasistunnels vergeben werden. Gleichzeitig schreiten bereits die Planungen für die Bahntechnik voran. Und finanziell geht es darum, dass in der neuen EU-Finanzierungsperiode ab dem Jahr 2021 ebenfalls das Maximum an EU-Unterstützung herausgeholt wird. (pn)