Alpbacher Gesundheitsgespräche: Medizin 2 - Rationierungen

Alpbach (APA) - „Die Rationierung von Behandlungsformen ist in Europa eine Realität. Man sollte nicht vor dem Ansprechen dieser realen Probl...

Alpbach (APA) - „Die Rationierung von Behandlungsformen ist in Europa eine Realität. Man sollte nicht vor dem Ansprechen dieser realen Probleme zurückschrecken. (...) Die hohen Preise sind das Haupthindernis“, sagte der belgische Experte Yannis Natsis von der Europäischen Allianz für Öffentliche Gesundheit am Montag bei den Alpbacher Gesundheitsgesprächen.

Wahrscheinlich benötige man neue Preisfindungs- und Finanzierungsmodelle, betonte Suerie Moon vom Gesundheitszentrum am Institut für Internationale Forschung und Entwicklungsstudien in Genf: „Unser derzeitiges System ist 500 Jahre alt und funktioniert nicht mehr optimal.“ Ein Drittel bis zwei Drittel der Entwicklungskosten für innovative Pharmazeutika kämen aus öffentlichen Mitteln. Möglicherweise seien Budgetierungssysteme, bei denen die Zahler im Gesundheitswesen einen fixen Betrag für eine Therapie mit den Pharmaunternehmen ausmachten und dafür Monopole fallen müssten, ein Ausweg.

Die Zeit für innovative Ideen dränge, betonte Jo De Cock vom nationalen Institut der belgischen Gesundheits- und Invaliditätsversicherung: „Wir erleben in der Pharmaindustrie einen Klimawechsel. Die Preise für Onkologika steigen pro Jahr um acht Prozent. Die Kosten für ein gewonnenes Lebensjahr haben sich in den vergangenen zehn Jahren von 100.000 US-Dollar auf 200.000 US-Dollar verdoppelt.“ Dabei hätte sich der mit innovativen Therapien erzielbare Patientennutzen von der Preisgestaltung abgekoppelt. Man benötige mehr Transparenz und faire Verhandlungen.

Anderer Meinung ist Andreas Penk, ehemals Geschäftsführer von Pfizer in Österreich und nunmehr Leiter der Onkologie-Abteilung für entwickelte Märkte des US-Konzerns: „Als ich 1979 zum ersten Mal auf eine onkologische Spitalsabteilung kam, war die Situation dort extrem horribel. Die Patienten kamen zum Sterben ins Spital. Man konnte nichts für sie tun.“ Damals sei die Krebs-Chemotherapie noch am Anfang gestanden. „Manche Patienten erbrachen sich zu Tode.“

Diese Situation hätte sich dank der Fortschritte in der Medizin stark geändert: „Heute haben die Patienten in Europa - vielleicht mit der Ausnahme Japan - weltweit den zweitbesten Zugang zu innovativen Therapien. Die Herausforderung ist die demografische Entwicklung in Europa. Dabei stecken wir auch in einer Übergangsphase. Wir kommen von der Behandlung chronischer Erkrankungen zur Heilung dieser Krankheiten.“ Das gelte auch für die Hepatitis C, bei der mit den neuen Medikamenten Heilungsraten von 90 Prozent zu erzielen seien.

„Auch das britische NICE-Institut (Nationales Institut für Gesundheit und Klinische Exzellenz; Übers.) hat festgestellt, dass diese Therapien kosteneffizient sind“, sagte Penk. NICE gilt international als konservatives bis restriktives Institut zur Bewertung von Therapien und Medikamenten. Ein hoher Anteil der Patienten mit chronischer Hepatitis C erleidet langfristig den Übergang der Krankheit in eine Leberzirrhose und Leberversagen. Die Hepatitis C ist auch ein Hauptgrund für Leberkarzinome.