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Eine Träne, die über den weißen Blütenkelch rinnt

© THimfilm

Die Bestsellerverfilmung „Tulpenfieber“ klingt nach irrwitziger Fantasie, tatsächlich löste die holländische Blütensucht den ersten Börsencrash aus.

Von Peter Angerer

Innsbruck –Sogar für den reichsten Mann in der Welt des 17. Jahrhunderts gab es Grenzen in der Darstellung von Ruhm und Prunk. Als Prinz Eugen die Lustgärten in seinem Schloss Hof anlegen ließ, erlaubte er pro Quadratmeter nur eine einzige Tulpe. Darüber lacht heutzutage jeder Kleingärtner, aber zwischen 1634 und 1637 konnt­e der Preis einer seltenen Zwiebel jenen für ein stattliches Herrenhaus übertreffen. Wenn einem hungrigen und noch mehr betrunkenen Diener die Welt wie in einem Kaleidoskop entgegentrat, konnte er schnell danebengreifen und seinen Dienstgeber mit dem Verzehr einer zarten Zwiebel binnen Sekunden um ein Millionenvermögen bringen. Das sind die komischen Tragödien, von denen Justin Chadwick zwischen den herzzerreißenden Tragödien in „Tulpenfieber“ erzählt. Das Drehbuch (nach dem Roman von Deborah Moggach) über eine Welt, in der alles seinen Preis hat, schrieb der britisch-tschechische Dramatiker Tom Stoppard, der 1999 für „Shakespeare in Love“ einen Oscar gewann.

Die Äbtissin des Klosters St. Ursula (Judi Dench) kümmert sich um Waisenmädchen, die am Ziel ihrer Erziehung einem der Bürger Amsterdams einen Erben gebären sollen oder am Ende als Huren in Gossen oder Grachten landen. Da gibt sich die Äbtissin als Erzählerin keinen Illusionen hin. Sophia (Alicia Vikander) hat das große Los gezogen, als sie Cornelis Sandvoort (Christoph Waltz), der ein Vermögen mit der Muskatnuss gemacht hat, in einer Kutsche abholen lässt. Der Gewürzhändler war schon einmal in den Sog des Sündenfalls geraten, als er ein­e Hebamme zwang, bei der Geburt seines Erben nur auf das Wohl des Kindes zu achten. So ist er Witwer und Vater eines toten Kindes geworden, ein Unglück, das sich nicht wiederholen darf. Deshalb soll seine neue Frau – obwohl mit Umtauschrecht erworben – in den Genuss jeder Annehmlichkeit kommen. Sandvoort beauftragt den Maler Jan van Loos (Dane DeHaan) mit der Herstellung eines Bildes, in dem sich der Kaufmann in der Mode der Zeit in seiner Bedeutung porträtiert sehen möchte: Neben sich seine Frau als Symbol der Jugend, dazu ein Tulpenstillleben als Zeichen des Reichtums – aber lassen die teuren Blumen nicht schon die Köpfe hängen und deuten wie Sandvoorts „kleiner Soldat“, der immer öfter den Dienst verweigert, faulend­e Vergänglichkeit an?

Als sich der Maler und sein Modell jenseits der Symbole in einer Amour fou verlieren und eine gemeinsame Zukunft planen, kommt wieder die Äbtissin in Spiel. Neben den Waisenmädchen hütet sie in ihrem Klostergarten treuhänderisch die Zwiebeln der Tulpenbörsen, die längst die Real­wirtschaft verlassen haben. Was in Bordellen und Wirtshäusern gehandelt wird, existiert nur noch in der Fantasie und auf Schwindelpapieren. Es ist – im Film – die „Admiral Maria“, eine überraschende Mutation, bei der ein­e purpurene Träne über den weißen Blütenkelch zu rinnen scheint, die Flucht und Zukunft der Liebenden finanzieren soll, tatsächlich aber unter Mithilfe des „stillen Zechers“ (Zach Galifianakis) dem Wahnwitz ein Ende setzt.

Alles in „Tulpenfieber“ ist kostbar: die Besetzung, die Ausstattung, die Gemälde. Nur für die magische Zwiebel der Verwandlung von Blütensucht in Suchtblüte ist es zu kühl, um auszutreiben.

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