Katalonien - Unabhängigkeitskonflikt überschattet Terrorbewältigung
Barcelona/Madrid (APA) - Nach den islamistischen Terroranschlägen in Barcelona sah es vergangene Woche zunächst danach aus, als würden Spani...
Barcelona/Madrid (APA) - Nach den islamistischen Terroranschlägen in Barcelona sah es vergangene Woche zunächst danach aus, als würden Spanien und Katalonien den derzeitigen Dauerstreit um das für den 1. Oktober geplante Unabhängigkeitsreferendum zumindest für einige Tage ruhen lassen.
Spaniens Premier Mariano Rajoy betonte auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Kataloniens separatistischen Ministerpräsidenten Carles Puigdemont seine absolute Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den katalanischen Behörden, um die Attentäter zu finden. Man müsse nun Seite an Seite stehen. „Wir sind vereint, um den Terrorismus zu besiegen“, so Rajoy. Puigdemont erklärte in Anspielung auf die umstrittenen Unabhängigkeitsbestrebungen seiner Regionalregierung, die Terrorbekämpfung habe derzeit Priorität vor „anderen Dingen“.
Doch schon bald wurde klar, dass es hier nicht nur um Solidarität oder gar Annäherung ging. Die stetigen Aufrufe Rajoys, dass man die Probleme nur lösen könne, wenn man zusammenhalte, wurden von Kataloniens separatistischen Regierungspolitikern schnell als Versuch interpretiert, den Unabhängigkeitsprozess zu diskreditieren.
Schnell ging man getrennte Wege bei der Aufklärung der islamistischen Anschläge in Barcelona und Cambrils, bei denen am vergangenen Donnerstag 15 Menschen getötet und über Hundert verletzt wurden. Zu den beiden Krisensitzungen der spanischen Regierung mit der Guardia Civil und der spanischen Polizei wurde die katalanische Regionalpolizei Mossos d‘Escuadra nicht einmal eingeladen, obwohl es vor allem die katalanischen Beamten waren, welche den Terroristen in Barcelona und Umgebung auf den Fersen waren.
Doch auch die Katalanen arbeiteten für sich, ohne anscheinend Informationen mit der spanischen Polizei zu teilen. Am Dienstag beschwerten sich die Gewerkschaften der Guardia Civil und der Polizei öffentlich, man wurde von vielen Ermittlungsprozessen ausgeschlossen, „um der Öffentlichkeit den Eindruck zu vermitteln, ein katalanische Staat sei in der Lage, alleine die Sicherheit zu wahren“.
Die Gewerkschaftssprecher scheinen da nicht ganz falsch zu liegen. Schon bald nahm Ministerpräsident Puigdemont die Ermittlungserfolge zum Anlass, für die Mossos einen Platz in den internationalen Polizeistrukturen zu fordern. Schon zu Beginn der Aufklärungsphase der Attentate überschattete der Unabhängigkeitskonflikt die Ermittlungen. Die spanischen Institutionen regten sich öffentlich darüber auf, dass die Generalitat, die katalanische Regionalregierung, alle Informationen und Neuigkeiten nur auf katalanisch veröffentlichte. Spaniens Vizepräsidentin Soraya Sanz de Santamaria empörte sich vor Medien auch über den separatistischen Innenminister Kataloniens, Joaquin Forn, der in spanische und katalanische Opfer unterteilte.
Selbst die brutalen Terroranschläge konnten also nicht den Unabhängigkeitskonflikt zwischen Madrid und Barcelona beilegen. So war auch das Verhältnis zwischen Rajoy und Puigdemont bei der Trauermesse in der Sagrada-Familia-Kathedrale und bei der Schweigeminute auf der Placa de Catalunya sichtlich unterkühlt.
So ist auch damit zu rechnen, dass die Abspaltungsbestrebungen der katalanischen Regionalregierung in den kommenden Tagen wieder an Fahrt aufnehmen wird. Die konservative Zentralregierung Rajoys betont unterdessen, man werde die Abspaltung Kataloniens unter keinen Umständen zulassen. Auch der Großteil spanischer Parteien spricht sich klar gegen die Abhaltung des geplanten Unabhängigkeitsreferendums aus, das trotz des Verbots durch das spanische Verfassungsgericht am 1. Oktober durchgeführt werden soll.
Ob die Attentate von letzter Woche die weitere Entwicklung vor dem Referendum oder gar die Einstellung der Katalanen zum Thema beeinflussen könnten, ist ungewiss. Unterdessen scheinen die Unabhängigkeitsbefürworter immer mehr in die Unterzahl zu geraten. Nach jüngsten Umfragen unterstützen nur noch 41 Prozent der 7,5 Millionen Katalanen die Unabhängigkeit von Spaniens wirtschaftsstärkster Region an der Grenze zu Frankreich.