Weniger Migration, aber Kurz will „massive Reduktion“
Obwohl die Zahlen rückläufig sind, bleibt die Migration nach Österreich auf hohem Niveau. Integrationsminister Kurz betonte, dass eine Zuwanderung wie in den letzten beiden Jahren problematisch sei, wolle man den Wohlfahrtsstaat aufrecht erhalten. Kritik kommt von Grünen, NEOS und Caritas.
Wien - Die Zahl der nach Österreich kommenden Menschen ist im Vorjahr deutlich zurückgegangen. Dennoch müsse man von einer „sehr beachtlichen“ Zuwanderung sprechen, betonte der Vorsitzende des Expertenrats für Integration, Heinz Faßmann, bei der Präsentation des Integrationsberichts 2017. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) nannte bei dieser Gelegenheit eine „massive Reduktion“ von Migration sein Ziel. Kritik kam von Grünen, NEOS und Caritas.
Das Zahlenmaterial für den Integrationsbericht hat die Statistik Austria aufbereitet. Im Schnitt des Vorjahres lebten knapp 1,9 Millionen Personen mit Migrationshintergrund in Österreich, was gut 22 Prozent entspricht. Was die Zuzüge aus dem Ausland angeht, war ein deutlicher Rückgang im Vergleich zu 2015 zu verzeichnen. Das so genannte Wanderungssaldo ergab im Jahr 2016 ein Plus von 64.676 Zuzügen. Im Jahr davor, dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle, lag es bei 113.067 Personen.
178.000 Zuwanderer in den letzten beiden Jahren
Gesamt machte die Netto-Zuwanderung in den beiden vergangenen Jahren 178.000 Personen aus. Dieser Trend wird sich von alleine nicht abschwächen, vermutet Faßmann. Österreich als Hochlohnland mit sozialer Sicherheit und einem leistbaren starken Bildungssystem werde ein attraktives Ziel bleiben. Das gelte sowohl für Flüchtlinge als auch für gut qualifizierte Arbeitskräfte aus anderen EU-Staaten und für Studenten.
Festzuhalten ist laut Faßmann, dass sich der Integrationsoptimismus der Österreicher im vergangenen Jahr trotz rückläufiger Asylzahlen sogar noch verschlechtert hat. Gleichzeitig habe speziell bei der türkisch-stämmigen Bevölkerungsgruppe auch ein Entfremdungsprozess stattgefunden.
Integration der Flüchtlinge „ein langer Weg“
Klar ist für Faßmann, dass die Integration der in den vergangenen zwei Jahren nach Österreich gekommenen Flüchtlinge noch „ein langer Weg sein wird“. Die Integration wird im Report als alternativlos geschildert. Denn erst mit der Aufnahme in den Arbeitsmarkt könne es auch positive ökonomische Effekte geben.
Vorerst ist die Flüchtlingswelle teuer. Kurz verwies auf Studien, die bis 2019 acht bis zwölf Milliarden an Kosten errechnet haben. Wolle man einen Wohlfahrtsstaat europäische Prägung aufrecht erhalten, sei eine Zuwanderung wie in den vergangenen beiden Jahren höchst problematisch.
Kurz: Dürfen nicht Schlepper entscheiden lassen
Ziel müsse daher sein, sowohl national als auch international den Flüchtlingsströmen entgegenzutreten: „Nachhaltig hilft man vor Ort.“ Österreich müsse in die Position kommen selbst zu entscheiden, wer zuwandert und wer nicht: „Das kann nicht die Entscheidung der Schlepper sein.“ Untätig sei sein Ressort im Bereich Integration jedenfalls nicht gewesen, verwies Kurz auf den Beschluss des Islamgesetzes sowie auf den Ausbau von Sprach- und Wertekursen sowie von Zuwendungen für die Entwicklungszusammenarbeit.
Grüne, NEOS und Caritas prangern Versäumnisse an
Die Grüne Integrationssprecherin Alev Korun bemängelte in einer Reaktion auf die Präsentation, dass Kurz noch immer keine flächendeckenden Deutsch- und Orientierungskurse etabliert habe. Auch NEOS-Mandatar Nikolaus Scherak erkennt Versäumnisse der Regierung. Es brauche endlich ausreichend Deutschkurse ab dem ersten Tag und die Möglichkeit für Asylweber mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit, schon nach sechs Monaten in den Arbeitsmarkt einzusteigen.
Nach Überzeugung von Caritas-Präsident Michael Landau wäre die Erweiterung der Ausbildungspflicht bis zum 18. Lebensjahr auf schutzsuchende Menschen entscheidend. Hier würden derzeit Potenziale brach liegen gelassen und junge Menschen entmutigt.
Der Leiter der Abteilung Sozialpolitik in der Wirtschaftskammer, Martin Gleitsmann, meinte, Arbeitsmarktintegration sollte Vorrang vor dem Transfer von Sozialleistungen haben. Denn eine gelungene Eingliederung in den Arbeitsmarkt ermögliche ein selbstbestimmtes Leben und entlaste den Staatshaushalt. (TT.com, APA)