Forum Alpbach: Unis brauchen in postfaktischen Zeiten „Sozialkapital“

Alpbach (APA) - Universitäten haben in Zeiten, in denen Fakten im öffentlichen Diskurs zunehmend in Bedrängnis geraten, eine besondere Veran...

Alpbach (APA) - Universitäten haben in Zeiten, in denen Fakten im öffentlichen Diskurs zunehmend in Bedrängnis geraten, eine besondere Verantwortung, sich „verständlich an die Gesellschaft zu wenden“. Darüber war man sich bei einer Diskussionsveranstaltung zum Thema heute, Mittwoch, Nachmittag bei den Alpbacher Hochschulgesprächen einig.

Das „Sozialkapital“, also das Vertrauen der Menschen in universitäre Forschung sei nach wie vor hoch, das Interesse allerdings eher gering, beschied unter anderem der Kommunikationswissenschafter Matthias Karmasin von der Uni Klagenfurt. Studien würden außerdem zeigen, dass „Wissenschafts-PR nichts bringt - das ist Preaching to the Converted“. Zusätzliche Uni-Mittel sollten daher zwar via Leistungsvereinbarung in die Kommunikation fließen - „aber nicht in eine neue Stelle in der PR-Abteilung, sondern in die Gestaltung der Curricula.“ Jeder Forscher könnte etwa in Pflichtmodulen darauf vorbereitet werden, seine Erkenntnisse verständlich zu kommunizieren, schlug auch die Biologie-Dekanin der Universität Innsbruck, Ulrike Tappeiner, vor - und diese Bemühungen sollten auch für die Universitätskarriere ausschlaggebend werden, anstatt ausschließlich die „Echokammer“ von Publikation und Lehre.

Viele Wissenschafter, die auf einen rein faktenbasierten Diskurs trainiert sind, wüssten gar keine Antwort auf Phänomene wie „Bullshitting“ oder „alternative Fakten“, die „den Unterschied zwischen Fakten und Fiktionen gar nicht anerkennen“, so Karmasin. „Die Produktion von Zweifel ist sehr lukrativ“, das habe man etwa bei den gezielten Kampagnen gegen wissenschaftliche Glaubwürdigkeit zum Thema Rauchen oder zum Klimawandel gesehen. Diese Phänomene sind also nicht neu und das Diktum vom „postfaktischen Zeitalter“ eine Zuspitzung, die suggeriert, dass es jemals ein „faktisches Zeitalter“ gegeben hätte. Für den Ökonomen Ulrich Berger, der sich als Teil der „Skeptikerbewegung“ seit Jahren mit dem Thema der Pseudowissenschaft beschäftigt, hat sich nur das Tempo geändert.

„Es gab immer genug nicht-faktisches, falsches Wissen, die Verbreitung geht heute nur schneller und einfacher“, betonte er. „Gleichzeitig ist es heute aber auch schneller und einfacher möglich, die Fakten zu prüfen. Das ist eine Holschuld“, die allerdings von einer Reihe von Phänomenen behindert wird: etwa durch den „Bestätigungs-Bias“ - also dem selektiven Suchen nach Informationen, die eigene Ansichten untermauern, der „Filterblase“ der Information im Netz oder dem Vermeiden von „kognitiver Dissonanz“ - eine wirkmächtige psychologische Theorie, die besagt, dass es oft leichter ist, Tatsachen zu ignorieren, als Widersprüche, etwa zwischen diesen Tatsachen und eigenen Gewohnheiten, auszuhalten.

Die eigene „Filterblase durchstochen“, hat jedenfalls die Rechtsphilosophin Elisabeth Holzleithner von der Universität Wien - indem sie auf Twitter etwa US-Präsident Donald Trump oder der rechtskonservativen Plattform „Breitbart“ folgt. „Das ist manchmal hart - aber man lernt sehr viel über die Strategien, mittels gezielter Lügen zugunsten der eigenen Interessen zu manipulieren.“ Und sie identifiziert eine weitere Kompetenz, die an den Unis gelehrt gehört: Das beurteilen von Glaubwürdigkeit. „Denn nicht alle Disziplinen haben so klare Kriterien dafür, wie Fakten generiert werden, wie die Naturwissenschaften.“ Ein Richter etwa müsse schlichtweg entscheiden, was letztlich den „Sachverhalt“ ausmacht - und dieses Urteilsvermögen werde auch im Jus-Studium kaum trainiert.