Die Attentate von Barcelona werden Spanien nicht verändern
Barcelona/Madrid (APA) - Die Stadt Barcelona und die katalanische Regionalregierung haben am kommenden Samstag zu einer Massendemo als Reakt...
Barcelona/Madrid (APA) - Die Stadt Barcelona und die katalanische Regionalregierung haben am kommenden Samstag zu einer Massendemo als Reaktion auf die islamistischen Anschläge von vergangener Woche aufgerufen. Die Großdemonstration steht unter dem Motto „No tengo miedo“ („Ich habe keine Angst“).
Neben zigtausenden von Menschen werden auch das spanische Königspaar, Ministerpräsident Mariano Rajoy, fast die gesamte spanische und katalanische Regierung, Oppositionsführer Pedro Sanchez sowie führende Politiker und Ministerpräsidenten anderer spanischer Autonomien erwartet.
Die Veranstaltung soll am Abend auf der Plaza de Catalunya enden, ganz in der Nähe der bekannten Flaniermeile La Rambla, auf der einer der Attentäter mit einem Lieferwagen 13 Menschen tötete. Bei den Anschlägen in Barcelona und in der nahen Küstenstadt Cambrils verloren insgesamt 15 Menschen ihr Leben, mehr als Hundert wurden schwer verletzt.
Es wird am Samstag ein massenhafter, aber friedlicher Protest werden. Der Terroranschlag von Barcelona wird Spanien kaum verändern. Selbst nach den islamistischen Zuganschlägen 2004 in Madrid, bei denen 191 Menschen zu Tode kamen, ist in Spanien keine Islamophobie ausgebrochen. Es kam auch nicht zu Attacken auf Moscheen oder islamistische Kulturzentren. Dafür gibt es mehrere Gründe:
„In Spanien konnten sich niemals rechtspopulistische Parteien durchsetzen, die heute innerhalb der spanischen Gesellschaft eine Fremdenfeindlichkeit verbreiten könnten“, erklärt der spanische Wahlforscher Jose Pablo Ferrandiz der APA. Das liege vor allem an der jüngsten Vergangenheit der rechten Franco-Diktatur sowie an der regierenden konservativen Volkspartei, die es geschafft habe, das gesamte rechte Wählerspektrum zu vereinen. „Rechtsradikale, fremdenfeindliche Parteien wie in anderen EU-Staaten haben in Spanien keine Chance“, so Ferrandiz.
Andererseits haben die Spanier eine lange Erfahrung mit dem Terrorismus. Über 40 Jahre lang mordete die baskische Terrororganisation ETA, die erst vor fünf Jahren ihre Waffen niederlegte. Über 830 Menschen fielen ihrem blutigen Kampf für die Unabhängigkeit des nordspanischen Baskenlandes zum Opfer. „Terroristische Anschläge führen in Spanien nicht zu extremen Reaktionen innerhalb der Gesellschaft wie es in anderen Ländern der Fall sein könnte, in denen die Menschen es nicht gewohnt sind, mit Terroranschlägen zu leben“, meint der baskische Soziologe Felix Arrieta.
Mit dem ETA-Terror haben die Spanier zudem etwas sehr Wichtiges gelernt. Und zwar die Unterscheidung zwischen separatistischen Nationalisten auf der einen Seite und ETA-Sympathisanten und Terroristen auf der anderen, so Arrieta. „So unterscheiden die Spanier auch heute klar zwischen muslimischen Einwanderern und radikalisierten Dschihadisten“, versichert der baskische Soziologe.
Die muslimische Gemeinde in Spanien wusste zudem stets, schnell zu reagieren. Eine der ersten Protestaktionen auf der Rambla nach dem Anschlag wurde von der muslimischen Gemeinde organisiert. „Die spanischen Muslime sprechen den Familien der Opfer ihr Beileid aus“, hieß es auch seitens der Islamischen Kommission Spaniens. Man hoffe auf eine baldige Genesung der Verletzten und erkläre sich solidarisch mit dem barcelonischen und spanischen Volk, bekräftigte Riay Tatary, Vorsitzender des islamischen Repräsentativorgans in Madrid.
Natürlich gibt es auch in Spanien Islamophobie und gravierende Integrationsprobleme. Mit rund zwei Millionen Personen hat Spanien mit Frankreich und Italien zwar eine der höchsten Raten muslimischer Einwanderer in Europa, blickt jedoch auch auf eine lange Tradition des Zusammenlebens zurück. Bis 1492 war Spanien über 800 Jahre muslimisch. Auch danach blieben viele Muslime in Spanien. Die Kulturen und Religionen lebten lange friedlich nebeneinander. Dieser Umstand führt jedoch auch dazu, dass Spanien stets im Fadenkreuz islamistischer Terroristen steht. Der Islamische Staat (IS) ruft immer wieder zur Befreiung der ehemals muslimischen Gebiete in Spanien auf.
Über das Nachbarland Marokko kommen viele muslimische Einwanderer nach Spanien. Die nordafrikanischen Exklaven Melilla und Ceuta sind stark muslimisch geprägt. Mit positiven wie negativen Folgen. Gerade im Zuge der spanischen Wirtschaftskrise und fehlender Zukunftsperspektive haben sich in den vergangenen Jahren viele muslimische Jugendliche radikalisiert - vor allem in Katalonien und den Nordafrika-Enklaven.
Viele Terrorismus-Verdächtige konnte man frühzeitig festnehmen. Spanien, durch die ETA sehr im Anti-Terrorismus-Kampf erprobt, verzeichnet in Europa die höchsten Verhaftungsquoten. Zudem verfügt man über das strengste Strafrecht, dass der spanischen Polizei im Kampf gegen terroristische Aktivitäten bereits ein frühes Einschreiten erlaubt.