Bergsturz in der Schweiz - Ehepaar aus Österreich unter Vermissten
Bondo (APA/dpa) - Ein gewaltiger Felsabbruch in den Schweizer Alpen im Bondasca-Tal beim Dorf Bondo hat am Mittwoch acht Wanderer aus Österr...
Bondo (APA/dpa) - Ein gewaltiger Felsabbruch in den Schweizer Alpen im Bondasca-Tal beim Dorf Bondo hat am Mittwoch acht Wanderer aus Österreicher, Deutschland und der Schweiz überrascht. Unter den Gesuchten befand sich ein österreichisches Ehepaar, wie Thomas Schnöll, Sprecher des Außenministeriums, der APA sagte.
Noch in der Nacht sei das Gelände ergebnislos per Helikopter abgesucht worden. Am Donnerstag wurde eruiert, wo man mit der terrestrischen Suche mit Hunden beginnen könne, berichtete Einsatzleiter Andrea Mittner bei einer Pressekonferenz in der Schweiz. „Bis jetzt wurde aber keine Person gefunden.“
Mittner zufolge wurde außerdem noch eine Gruppe von fünf bis sechs Personen im Tal Bergell von Angehörigen als vermisst gemeldet. Es war aber noch nicht klar, ob ein Zusammenhang mit dem Bergsturz bestand.
Das Bandasca-Tal rund 35 Kilometer südwestlich von St. Moritz ist ein beliebtes Wander- und Bergsteigergebiet. In die beiden Berghütten in der Region hatten sich die Vermissten vor dem Naturereignis nicht gerettet: Hubschrauber brachten schon am Mittwoch 32 Besucher und Wirte ins Tal. Zehn weitere Personen warteten in anderen Hütten am Donnerstag auf ihre Bergung. Für sie bestand der Polizei zufolge keine Gefahr. Feuerwehr, Polizei, Militär und Zivilschutz waren nach Angaben der Behörden mit 121 Einsatzkräften im Einsatz.
Es war eine enorme Geröllmasse. Mittner erläuterte vor Medien, in dem fünf Kilometer langen Gebiet hätten sich die Schuttkegel „mehrere zehn Meter“ hoch aufgetürmt. Die acht Vermissten seien nicht zusammen unterwegs gewesen, sagte Mittner.
Alpinisten sprechen von einem Bergsturz und einem Murenabgang. Bei einem Bergsturz brechen Felsteile in steilem Gelände weg und donnern mit Schutt Richtung Tal. Bei einem Murenabgang schieben sich Schlamm und Geröll mit Wasser abwärts. „Natürliche Tau- und Gefrierprozesse fördern die Verwitterung des Gesteins“, heißt es auf der amtlichen Informationsplattform für den Umgang mit Naturgefahren (Planat).
Der Bergsturz am 3.369 Meter hohen Piz Cengalo war am Mittwoch so gewaltig, dass die Erdbebenwarte in Zürich die Erschütterungen registrierte. Nach Schätzungen rutschten bis zu vier Millionen Kubikmeter Geschiebe mit Schlamm mit größeren Gesteinsbrocken nach, wie die Lokalzeitung „Engadiner Post“ berichtete. Das ist mehr, als die Außenalster in Hamburg an Volumen fasst.
Bergstürze sind in den Alpen nicht selten. „Dadurch, dass die Alpen ein geologisch junges Gebirge mit markanten hohen Berggipfeln und tief eingeschnittenen Tälern sind, stellen niederstürzende Gesteinsblöcke ein fast alltägliches Ereignis dar“, heißt es auf es auf Planat. Da die Polizei erst keine Vermissten meldete, gab es wenig Aufmerksamkeit für das Ereignis. Die Vermisstenmeldungen der Angehörigen erreichten die Polizei erst viel später.
Die Einwohner des Örtchens Bondo im Tal sahen riesige Staubwolken aufsteigen. Ein vor nicht allzu langer Zeit eigens installiertes Murenabgang-Warnsystem rettete womöglich einigen das Leben: Der Alarm ging im Dorf los, und wenig später schoben sich die grauen Geröll- und Schlammmassen direkt auf das Dorf zu. Die Polizei brachte die rund 100 Einwohner rechtzeitig in Sicherheit. Die graue Masse schob knapp an dem Ort vorbei. Auf Bildern waren riesige graue Geröllwüsten zu sehen. Die Anrainer fürchteten Regenfälle. Die Auffangbecken seien mit Schlamm verstopft, dann drohten Überschwemmungen, hieß es.
Ein Murenabgang ist ein gewaltiges Naturereignis. Aus der Ferne sieht er aus wie ein breiter Lavastrom. Riesige Felsbrocken stürzen dabei in einer Schlammlawine bergab und begraben Wiesen und Straßen unter sich. Bäume und Masten werden umgerissen, Ställe und Gebäude stürzen innerhalb von Sekunden ein und werden mitgerissen. In Bondo waren es zwei Ställe. Insgesamt wurden zwölf Gebäude beschädigt.
„Bergstürze lassen sich mit technischen Mitteln nicht verhindern“, heißt es bei Planat. Gefährdete Gebiete sollten gemieden werden. Am Piz Cengalo waren 2011 schon einmal größere Felsstücke abgebrochen. Eine ähnliche Menge Geröll stürzte ab, blieb aber im hinteren Teil des Bondasca-Tals liegen.
Der Klimawandel könnte zu vermehrten Bergstürzen beitragen, berichtete die Arbeitsgruppe Naturgefahren des Kantons Bern. Wenn sich der Permafrost im Felsen zurückbilde, würden neue Trennflächen aktiv. Wenn sich Gestein ablöse, gebe es neue Fließwege für Wasser und neue Druckverhältnisse, was den Fels zusätzlich destabilisiere.
( 0860-17; Format 88 x 55 mm)