Medikament vom Markt genommen: Psychisch Kranker wieder straffällig
Wien (APA) - Ein psychisch kranker Mann, der vor mehr als 20 Jahren in Wien-Leopoldstadt einen jungen Polizisten im Dienst erstochen hatte u...
Wien (APA) - Ein psychisch kranker Mann, der vor mehr als 20 Jahren in Wien-Leopoldstadt einen jungen Polizisten im Dienst erstochen hatte und der in weiterer Folge mangels Schuldfähigkeit in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen wurde, hat nun wieder das Landesgericht beschäftigt. Als das Medikament, das er zu nehmen pflegte, vom Markt genommen wurde, brach seine Krankheit erneut aus.
Nach der Bluttat, die ihm aufgrund seiner Zurechnungsunfähigkeit nicht zum Vorwurf gemacht werden konnte, hatte der paranoid Schizophrene nur knapp vier Jahre im Maßnahmenvollzug verbracht. Dann öffneten sich für ihn die Tore der Sonderstrafanstalt, weil ihn die Ärzte für nicht mehr gefährlich hielten. Der Mann sprach auf die Medikamente gut an, zeigte sich krankheitseinsichtig und versprach, sich an sämtliche Auflagen zu halten, die ihm erteilt wurden. Die bedingte Entlassung wurde zunächst auf eine Probezeit von zehn Jahren ausgesprochen. In diesem Zeitraum und auch in den Jahren danach hatte der Betroffene seine Krankheit offensichtlich im Griff - er trat strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung, auch sonstige Schwierigkeiten wurden den Behörden nicht bekannt.
Das änderte sich, als Fluanxol - ein sehr starkes Neuroleptikum, an das der Mann gewohnt war - vom Markt genommen wurde. Die Apothekerin hätte ihm gesagt, dass es kein Folgemittel gebe. Er hätte daraufhin die Medikamente abgesetzt - auf Empfehlung seiner Psychiaterin, wie der Mann nun einem Schöffensenat im Grauen Haus darlegte. Der beigezogene psychiatrische Sachverständige Karl Dantendorfer hielt diese Schilderung für glaubwürdig: „Das ist bei niedergelassenen Ärzten durchaus möglich. Das ist der Grund, warum wir Fachleute darauf bestehen, dass solche Behandlungen von Institutionen gemacht werden und nicht von niedergelassenen Ärzten, auch wenn sie einen Kassenvertrag oder was auch immer haben.“
Schubweise trat nun die Krankheit wieder zum Vorschein. Zunächst kam es zu einer tätlichen Auseinandersetzung mit der Schwester, die für den Mann keine Konsequenzen hatte, weil diese nach dem Einschreiten der Polizei von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machte. Am 24. Februar 2017 bedrohte der Mann in einem Kaffeehaus in Döbling allerdings einen anderen Lokalgast, der sich an einen Nebentisch gesetzt hatte. Der Kranke fühlte sich - aus welchen Gründen auch immer - von dem langhaarigen Sozialarbeiter gestört. Schließlich rastete er aus und rief dem Unbekannten „Ich mach‘ Sushi aus dir! Ich hab‘ schon einmal wen abgestochen!“ zu. Die Polizei musste gerufen werden, der - unbewaffnete - Mann war kaum zu beruhigen. Er kam zunächst auf die Baumgartner Höhe, am Ende wurde er in U-Haft genommen.
Dort wurde er wieder medikamentös behandelt. Sein Zustand besserte sich schlagartig - „dank der konsequenten Behandlung und seiner Mitarbeit“, wie Psychiater Dantendorfer im Grauen Haus referierte. Zum Zeitpunkt des Vorfalls im Kaffeehaus, den das Gericht als „qualifizierte Todesdrohung“ (Richter Stefan Apostol) wertete, habe sich der Mann „zweifellos in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand befunden“, sagte Dantendorfer.
Der Senat verfügte schließlich die Einweisung des Betroffenen in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher, sah diese Maßnahme aber unter Setzung einer fünfjährigen Probezeit bedingt nach. Der Mann wurde unmittelbar nach der Verhandlung in eine auf psychisch Kranke spezialisierte Wohngemeinschaft übernommen, wo ein Rund-um-die-Uhr-Betreuung durch qualifiziertes Personal gewährleistet ist. Per Weisung wurde er außerdem zur Einnahme verschiedener Medikamente in Form einer Depotspritze, regelmäßiger fachärztlicher Kontrolle, Überwachung seiner Blutwerte und laufender schriftlicher Berichte über den Krankheitsverlauf ans Gericht verpflichtet.
„Danke schön, Herr Richter“, bedankte sich der Betroffene. Auf die Frage, ob er die Entscheidung akzeptiere, meinte er: „Ich entscheide mich, es anzunehmen. Es kann nicht schaden.“