„Limehouse Golem“: Gothic-Horror und viktorianische Heimeligkeit
Wien/London (APA) - Das gute alte Gothic-Genre ist nicht totzukriegen - Brexit hin oder her. Und so entführt auch „The Limehouse Golem“ ins ...
Wien/London (APA) - Das gute alte Gothic-Genre ist nicht totzukriegen - Brexit hin oder her. Und so entführt auch „The Limehouse Golem“ ins viktorianische England, wo in schummrigen Gassen voller Huren und Säufer das Verbrechen regiert - konkret ein brutaler Serienmörder, den die Zeitungen schon als die mythische Sagengestalt des Golem betiteln. Auf dessen Spur macht sich Inspektor John Kildare. Ab Freitag im Kino.
Der Londoner Bezirk Limehouse wird von einer Mordserie erschüttert, bei welcher der Mörder seine Opfer scheinbar wahllos im heruntergekommenen Milieu auswählt und diese auf bestialische Weise hinschlachtet. Da er am Tatort lateinische Botschaften hinterlässt und ob der Brutalität der Morde, macht bald die Vorstellung von der jüdischen Rachegestalt des Golem die Runde - keine idealen Voraussetzung für den reifen Inspektor John Kildare (Bill Nighy) bei seinem ersten Mordfall. Schließlich soll er die Bevölkerung beruhigen und zugleich den Täter fassen. Also muss sich der Polizist in die paranoide Welt des Killers hineindenken. Auf seinen Ermittlungen stößt er dabei über die Schauspielerin Elizabeth Cree (Olivia Cooke), auf die wegen angeblicher Vergiftung ihres Mannes der Galgen wartet, während auch der Music-Hall-Betreiber Dan Leno (Douglas Booth) ins Fadenkreuz gerät. Und der Druck auf den Ermittler steigt.
„The Limehouse Golem“, basierend auf Peter Ackroyds Roman „Der Golem von Limehouse“ aus 1994, beginnt als klassischer Whodunit-Thriller, verliert sich im Fortgang der Erzählung streckenweise jedoch in der Lebensgeschichte der schönen Elizabeth Cree, von der Inspektor Kildare betört ist. Regisseur Juan Carlos Medina („Painless“) verwendet bei seinem zweiten Langfilm hypothetische und reale Rückblenden und baut damit eine etwas überkomplexe Narration ohne zwingende Notwendigkeit. Und dass kurzzeitig sogar Karl Marx als jiddische Karikatur porträtiert zum Verdächtigenkreis zählt, verleiht dem Film eine ebenso unpassende wie unfreiwillige Komik.
Getragen wird die Erzählung somit im Wesentlichen von zwei Faktoren: Zum einen von Bill Nighy, der kurzfristig für den verstorbenen Alan Rickman eingesprungen ist, und die Rolle des spröden Ermittlers voll und ganz ausfüllt. Zum anderen versteht es „Limehouse Golem“, atmosphärisch in jene Kunstwelt zu entführen, in der die Erdfarben und Gaslampen den Ton angeben und in deren dunklen Gassen und Spelunken sich grindige Seeleute und Tunichtgute mit Zahnlücke scharen. Damit mutiert der Thriller letztlich zum Genrefilm mit wenigen Slasherbilder und viel Sozialromantik als Ausdruck der Sehnsucht nach einer vermeintlich heimeligen Vergangenheit, die es nie gegeben hat - Messerschlitzer inklusive. Aber was wäre London ohne Jack the Ripper (oder vielleicht auch den Limehouse Golem)?
(S E R V I C E - www.limehousegolem-film.de)