38. Jazzfestival Saalfelden: Fliegende Töne und massive Soundwände
Saalfelden (APA) - In der Pinzgauer Gemeinde Saalfelden geben wieder nationale wie internationale Klangartisten den Ton an: Beim 38. Jazzfes...
Saalfelden (APA) - In der Pinzgauer Gemeinde Saalfelden geben wieder nationale wie internationale Klangartisten den Ton an: Beim 38. Jazzfestival geht es um den Bruch mit Konventionen, das Hinterfragen von Erwartungshaltungen und die Lust am Neuen. Wie abwechslungsreich dabei vorgegangen wird, zeigte der Auftakt auf der Mainstage am gestrigen Freitagabend, bei dem etwa Gerald Preinfalk in die „Prine-Zone“ entführte.
Dem neuen Ensemble des österreichischen Saxofonisten war es beschieden, die Hauptschiene des von Michaela Mayer und Mario Steidl heuer sehr vielseitig kuratierten Festivals einzuleiten. Wobei der gebürtige Oberösterreicher eine groß angelegte Reise im petto hatte, durften seine acht Mitstreiter und er doch eine Stunde lang durch zusammenhängende Klangwelten schreiten, die sich aus dem freien Spiel ebenso erhoben wie aus reichlich dissonanten Abzweigungen und immer wieder eingestreutem Groove.
Schade war zunächst, dass die höchst talentierte Rhythmussektion aus Schlagzeuger Matheus Jardim und Vinicius Cajado am Bass sowie Keyboarder Georg Vogel dem Rest wie eine Opposition gegenüberstanden. Vokal von Savina Yannatou mit einer recht abseitigen Geräuschkulisse erweitert, gab es für die Bläser und Streicher wenig zu gewinnen, fungierte man in der Komposition Preinfalks doch eher als elegischer Part, als Eindickung der atmosphärischen Zwischenspiele - und war damit nicht gerade ausgelastet. Hochgeschwindigkeitsjazz auf der einen, meditativer Ausklang auf der anderen Seite - das führte zwangsläufig zu einem Ungleichgewicht.
Allerdings schaffte es Preinfalk mit Fortdauer des Auftritts, beide Polen konsequenter zusammenzuführen. Wo Jardim, Cajado und Vogel sich umschwirrten, in ihren Parts immer wieder längere Soloausflüge einstreuten und schlussendlich Lust auf eine Triodarbietung machten, war der Wechsel mit den leiseren Abschnitten am Ende eine logische Bedingung dieser freien Geste. Der „Flug durch die ‚Prine-Zone‘“, den Preinfalk zu Beginn angekündigt hatte, er erreichte doch noch recht ansehnliche Höhen.
Nicht in die Höhe, sondern eher in die Breite zimmerten hingegen Moster! ihre massive Soundwand: Das norwegische Quartett um Namensgeber und Saxofonist Kjetil Moster (vor zwei Jahren mit der ungarischen Rockband Jü beim Festival zu Gast) ließ sich nicht groß bitten, sondern langte von Beginn an in die Vollen. Ein treibender Beat (Schlagzeuger Kenneth Kapstad drückte dem Auftritt wahrlich seinen Stempel auf) gab die Richtung vor, die restliche Band folgte ohne Umschweife und entlud in meist über zehnminütigen Stücken eine Wucht, die selbst Rockkonzerten selten gegeben scheint. Zwar wurden zwischendurch auch versöhnlichere Töne angeschlagen, aber die Vorzüge von Moster! liegen eindeutig im Spiel mit den Muskeln. Höchst gelungen, stets kurzweilig und einfach mitreißend.
Gut, dass danach eine längere Pause folgte. Denn mit The Necks haben die Intendanten einen direkten Konterpart dahinter gesetzt. Das Minimal-Music-Trio machte dieser Bezeichnung alle Ehre, fokussierte sich ganz auf ein Ausgangsmotiv, das in weiterer Folge bis in die feinsten Verästelungen erkundet wurde. Doch musste man als Zuhörer höchst aufmerksam sein, passierten die Veränderungen doch so subtil und beiläufig, dass sich oft erst einige Momente später diese Erkenntnis einstellte. Natürlich war es repetitiv, was Chris Abrahams (Klavier), Lloyd Swanton (Bass) und Tony Buck (Schlagzeug) ablieferten - aber genau darum ging es. Mittels Wiederholung und dem gleichzeitigen Fortschreiten eine solche Dynamik zu erzeugen, die sich eben genau gegen plakative Momente stellt, ist schon eine Leistung.
Das Springen von Genre-Baum zu Genre-Baum beendete schließlich Steve Lehman - leider mit der am wenigsten überzeugenden Arbeit des Abends. Das Projekt Selebeyone brachte dem junge US-Saxofonisten reichlich Lorbeeren ein, fusionierte er hier doch Jazz und Hip-Hop (eine ohnehin naheliegende Kombination) ziemlich eindrucksvoll. Das Aufeinandertreffen von eingespielten Loops und Live-Musik, von Instrumentalisten und zwei Rappern (HPrizm und Gaston Bandimic versuchten eher vergeblich, Druck zu erzeugen) geriet im Konzert allerdings zur eindimensionalen Angelegenheit. Da mochte der Song als solcher zwar stimmig sein, in einer stetigen Abfolge des Immergleichen hielt sich der Erkenntnisgewinn leider in sehr engen Grenzen.
Dennoch haben dieser vier Darbietungen gezeigt, wie gut die stilistische Breite in Saalfelden funktioniert. Mayer und Steidl zeigen sich diesbezüglich ohne jegliche Berührungsängste, setzen publikumswirksame Gratiskonzerte wie 5/8erl in Ehr‘n (gestern bestens besucht im Kunsthaus Nexus) neben anspruchsvolle Soundtüftler und können dementsprechend zufrieden sein mit der diesjährigen Programmierung. Das Jazzfestival macht seinem Namen alle Ehre, ohne vor dem eigenen Ruf in Ehrfurcht zu erstarren. Davon kann man sich auch noch am heutigen Samstag sowie morgigen Sonntag überzeugen.
(S E R V I C E - www.jazzsaalfelden.com)