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„Das ist unser Land“: Dressur eines fleißigen Mädchens

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Lucas Belvaux zeigt in seinem Film „Das ist unser Land“ die neuen Strategien der Populisten, verängstigten Bürgern mit unverdächtigen Quereinsteigern ein harmloses Image vorzugaukeln.

Von Peter Angerer

Innsbruck –Anders als in Michel Houellebecqs Roman „Unterwerfung“ (2015), in dem ein Muslim zum französischen Staatspräsidenten gewählt wird, entwarf Jerôme Leroy 2011 in „Der Block“ eine ganz andere Dystopie. Während Agnès Dorgelles den neuen Verhältnissen in der Nationalversammlung entsprechend für ihren rechtsextremen Block um Regierungsverantwortung ringt, wütet in den Vorstädten der Krieg. 800 Tote sind schon in der ersten Nacht zu beklagen. Für die Eskalation der Gewalt auf den Straßen ist Stanko, der ehemalige Soldat und nunmehrige Chef des „Block“-Sicherheitsdienstes, verantwortlich. So steht der Regierungsbeteiligung für den „Patriotischen Block“ nur noch dessen schmutzige Vergangenheit entgegen. Da sich Stanko von seinem Neonazi-Image weder lösen kann noch will, ist er das willkommene Soldatenopfer.

In einer Zeit, in der Ideologien keine Rolle mehr spielen, links und rechts nur noch ferne Erinnerungen sind, Bürgerlich- und Harmlosigkeit die gewünschten Marketingbotschaften an die verängstigte Bevölkerung sind, ist für einen wie Stanko kein Platz mehr in der Bewegung. Er wird von jenen Männern gejagt, die er im Töten und Foltern ausgebildet hat.

Als Anfang des Jahres und damit in der heißen Phase des französischen Wahlkampfs der Kinostart der Adaption von Jerôme Leroys Kriminalroman angekündigt wurde, formierten sich die Anhänger des Front National zu Protesten gegen den Film „Chez nous“, an dessen Drehbuch Leroy zwar mit dem belgischen Regisseur Lucas Belvaux geschrieben hatte, aber vom Roman nicht viel mehr als die Idee übrig ließ und das Komplott auf die politische Auseinandersetzung in einer Kleinstadt herunterbricht.

Da rechtsradikale Parolen nicht mehr mehrheitsfähig sind, suchen die Manager des Patriotischen Blocks, allesamt Absolventen der Eliteschulen, nach unverdächtigen Kandidaten für die bevorstehenden Kommunalwahlen. Der Arzt Dr. Berthier (André Dussollier), früher ein Finanzier von Neonazis und deren Anschlägen, hat in der Krankenpflegerin Pauline (Émilie Dequenne) „ein fleißiges Mädchen“ entdeckt, das als willfährige Marionette das sympathische Gesicht der Partei werden könnte. Allerdings haften an der allein erziehenden Mutter noch drei Mängel, die beseitigt werden müssen. Als besonders ekelhaft wird ihr Engagement im Ausländer- und Moslemviertel betrachtet, weshalb das „Mutter-Teresa-Gehabe“ ein Ende finden muss. Paulines Herkunft aus einer kommunistischen Familie lässt sich dagegen schnell in einen Vorteil für den „Block“ verwandeln, der einfache Lösungen für soziale Probleme und die Angst vor dem islamischen Fundamentalismus offerieren kann.

„On est chez nous!“ („Wir sind bei uns!“) ist der Slogan, mit dem die Parteichefin Agnès Dorgelles (Catherine Jacob), seit 40 Jahren Kämpferin für „ein reines Frankreich”, ihre Anhänger in Sporthallen in Ekstase versetzt. Mühelos kann sie auch ein Schlachtfeld, das Stankos vermummte Kampftruppe im Migrantenviertel hinterlassen hat, als Schauplatz rivalisierender Drogenbanden umdeuten.

Stanko (Guillaume Gouix) ist jedoch Paulines dritter Mangel, denn sie liebt diesen Rechtsradikalen, der seinen Körper mit eindeutigen Symbolen tätowieren ließ, die von der Neopolitikerin – blind vor Liebe – übersehen werden. Es ist diese Naivität, die Lucas Belvaux in „Chez nous“ (deutscher Verleihtitel: „Das ist unser Land“) zum Thema macht, wenn leichtgläubige Menschen ihre Unzufriedenheit mit den Verhältnissen in populistischen Parolen gespiegelt sehen. Belvaux’ Film hat im Mai nicht gerade die Wahl Marine Le Pens verhindert, doch die Debatte hat immerhin erahnen lassen, wie man beim Front National im Fall eines Wahlsiegs mit unangenehmen Büchern und Filmen umzugehen gedenkt.