„Die Lage ist angespannt“
Bildhauer Alois Schild baut in Istanbul ein „Teehaus der Orientierungslosen“.
Innsbruck, Kramsach –Dieser Tage macht sich Alois Schild von Kramsach aus zu einer langen Reise auf: Rund 1800 Kilometer Landweg bis nach Istanbul liegen vor dem Tiroler Bildhauer, 100 perforierte Stahlplatten hat er dabei geladen. Aus ihnen soll in der Bosporus-Metropole sein „Teehaus der Orientierungslosen“ entstehen. Zugleich mit Schild machen sich auch in anderen Weltgegenden – u. a. in Neuseeland oder in Südkorea – Künstlerkollegen auf in die Türkei. Denn Schilds „Teehaus“ ist Teil eines Ausstellungsprojektes der internationalen Künstlergruppe Nine Dragon Heads, der Schild seit Jahren angehört – und mit der er vor zwei Jahren auch im Dunstkreis der Biennale Venedig unterwegs war. Die Nine Dragon Heads bestritten einen der zahlreichen, so genannten „Parallel Events“ zur internationalen Großkunstschau, Schild stellte dabei seinen stählernen „Neo Nomadic Pavillon“ in den Garten des venezianischen Palazzo Loredan.
Auch in Istanbul bewegt sich das Nine-Dragon-Heads-Projekt „Taste of Tea“ im Windschatten einer großen Kunstausstellung. Auf die 15. Ausgabe der Istanbul Biennale (16. September bis 12. November) dürften heuer aber nicht nur der Kunst wegen alle Augen gerichtet sein. Die derzeitige innenpolitische Verfasstheit der Türkei, die Menschenrechtssituation und die angespannten Beziehungen zu europäischen Ländern dominieren das Bild. Zudem sind vergangenes Jahr nach dem gescheiterten Putsch gegen Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan sowohl die Canakkale Biennale an den Dardanellen als auch die Kunstbiennale Sinopale am Schwarzen Meer unter politischem Druck abgesagt worden.
Schild war bereits im Mai zu einem Lokalaugenschein in Istanbul, die Lage sei „angespannt“, berichtet er, umso wichtiger sei es jetzt aber auch, sich gegenseitig zu stärken. Zwei türkische Künstlerkollegen, ebenfalls Mitglieder von „Nine Dragon Heads“ und einst Mitorganisatoren der Proteste im Gezi-Park, würden sagen: „Ihr müsst kommen, denn gerade jetzt ist es wichtig, Brücken zu bauen“, sagt Schild.
Das Projekt „Taste of Tea“ finde auf den Bahnhöfen Sirkeci und Haydarpasa im europäischen und asiatischen Teil Istanbuls statt. „Wir arbeiten ja abseits vom elitären Kunstsystem, nicht im White Cube“, so Schild, der mit seinem 12 Meter langen, begehbaren „Teehaus“ Themen wie gegenseitigen Austausch auch „in einer Zeit des kulturellen Unverständnisses“ anstoßen will. (jel)