Freizeit

Es geht aufwärts

Matsch im Vinschgau ist zuletzt in en Kreis der ÖAV-"Bergsteigerdörfer" aufgenommen worden.
© Bettina Thöni

Was können „Bergsteigerdörfer“, was andere Tourismusorte nicht können? Sie bieten Ruhe und Natur und sie sind für Bergfreunde aller Art gerüstet. Inzwischen bewerben sich die Gemeinden aktiv für das Siegel.

Von Theresa Mair

Innsbruck –Dem Kind einen Namen geben. Darum ging es 2008 in Ginzling, als der Österreichische Alpenverein (ÖAV) damit begann, den Kreis der „Bergsteigerdörfer“ aufzubauen. Denn: „Wir waren schon immer ein Bergsteigerdorf“, sagt Rudolf Klausner, Ortsvorsteher von Ginzling.

Damit gemeint ist ein naturnahes, ruhiges Kleinod, das im krassen Gegensatz zum hocherschlossenen touristischen Massenmagneten steht. Freilich, Bergsteiger, angelockt von Ahornspitze, Dristner und Co., gab es immer schon in Ginzling. Doch man wünschte sich mehr Gäste, nicht zuletzt zum Wohle des 360-Seelen-Ortes.

Das sollte sich mit dem „Bergsteigerdorf“-Siegel ändern. Den Startschuss für die ersten 16 „Bergsteigerdörfer“ gab der ÖAV 2008 im Ginzlinger Veranstaltungssaal. „Die Idee war, dass wir es von der Wertschätzung der Bergsteiger für diese Gemeinden zu einer Wertschöpfung in den Gemeinden bringen“, sagt Liliana Dagostin, Projektleiterin beim ÖAV. Knapp zwei Millionen Euro Förderungen hat der alpine Verein für die Unterstützung der „Bergsteigerdörfer“ erhalten.

Aufwand, der sich bezahlt macht. Besetzten die „Bergsteigerdörfer“ 2008 noch eine Nische, ist das heute anders. „Immer mehr Menschen suchen nach naturnahem Tourismus und stellen große Infrastruktur-Projekte in Frage. Je mehr Leute sich danach sehnen, desto besser ist das für die ,Bergsteigerdörfer‘.“

Die Nächtigungszahlen sprechen dafür: In der Sommersaison 2016 zählte Ginzling 48.883 Nächtigungen. 2008 waren es 32.799. Auch das Bild vom Öko-Touristen, der mit dem Zelt kommt und kein Geld liegen lässt, sei längst überholt. „Diese Gäste legen Wert auf regionale Produkte und sind für ein gutes Stück Fleisch bereit, Geld auszugeben. Und sie nehmen auch die ganze Familie mit“, bestätigt Klausner.

Für ihn ist aber auch klar: Wer nicht hinter dem „Bergsteigerdorf“ steht, wird diese Philosophie kaum den Gästen näherbringen. Es sei oft schwierig, die Einheimischen zu motivieren, „hochwertige Betten zu machen“. Es fehle auch ein Kiosk, seit es kein Geschäft mehr im Dorf gibt. Als Ginzlinger würde er allerdings die Ruhe und Lebensqualität nicht gegen die lauten Nebengeräusche des Massentourismus eintauschen wollen.

Mit dem „Bergsteigerdorf“-Siegel möchte der Alpenverein Orte ansprechen, „die sich bewusst oder unbewusst gegen die Erschließungsspirale stellen“, so Dagostin. Die Landschaft müsse möglichst unberührt sein, Bestehendes darf aber bleiben. Die Botschaft soll sein: „Bitte baut nicht weiter.“ Zudem achtet der ÖAV auf ein gutes Wegenetz. Schutzhütten, Gasthäuser und kleine Beherbergungsbetriebe, welche das Konzept des sanften Tourismus mittragen, sind ein Muss. Dafür unterstützt er die Dörfer medial. Die Mitgliederzeitschrift Bergauf erreiche etwa 750.000 Leser. Mit Marketing und Sponsoring wird den Gemeinden auch bei Eigeninitiativen unter die Arme gegriffen – z. B. wenn es um ein Shuttle-Service zu Ausgangspunkten für Wanderungen geht.

Dass alle Bewohner der „Bergsteigerdörfer“ mit diesem Weg zufrieden sind, bezweifelt Dagostin. „Der Schlüssel ist die Identifikation der Bevölkerung mit dem Projekt.“ So trennten sich etwa die Wege von ÖAV und Kals. Der Ort hat sich für eine Skischaukel entschieden. Das passt nicht zu einem „Bergsteigerdorf“.

Inzwischen würden sich die Orte aktiv um das Siegel bewerben. „Das ist für uns ein großes Zeichen für die Qualität des Projekts“, sagt Dagostin. Zuletzt ist im Juli mit Matsch das erste Dorf in Südtirol dazugekommen. Alle 460 Bewohner des Orts, der im Vinschgau auf 1564 Metern liegt, haben sich für das „Bergsteigerdorf“ entschieden.

„Wir kommen ja schon als Bergsteiger auf die Welt“, lacht Ortsreferentin Gertrud Telser-Schwabl. Was die Matscher sich wünschen? „Matsch soll so bleiben, wie es ist. Wir wollen keinen Massentourismus.“ Der Tourismus sollte die Existenz der Bauern sichern, damit sie das Tal nicht verlassen müssen. Es gebe schon viele Anfragen, ist Telser-Schwabl zuversichtlich. „Die Bergsteiger suchen so etwas.“

Bergsteigerdörfer

Sechs Tiroler Orte bzw. Täler gehören zu den 23 Bergsteigerdörfern in Österreich: Ginzling, Vent, St. Jodok/Schmirn- und Valsertal, Sellraintal, Tiroler Gailtal, Villgratental. Mittlerweile sind auch drei bayerische und ein Südtiroler Ort Teil der „Bergsteigerdorf“-Runde. 2018 soll Jezersko in Slowenien aufgenommen werden.

Das Buch „Bergsteigerdörfer“ mit Texten und Fotos von Mark Zahel sowie 21 Karten ist im Tyrolia-Verlag (Innsbruck) erschienen (240 S.; 34,95 Euro). Weitere Infos: www.bergsteigerdoerfer.at

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