Gesundheit

Innsbrucker Forscher entdeckt: Gefäßverkalkung ist Nierensache

In schweren Fällen entwickelt sich aus der Schaufensterkrankheit ein Raucherbein, das in letzter Konsequenz amputiert werden muss.
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Der Innsbrucker Forscher Florian Kronenberg hat einen wichtigen Zusammenhang zwischen Schaufensterkrankheit und Nierenfunktion entdeckt.

Von Theresa Mair

Innsbruck –So weit, so bekannt: Bluthochdruck, Rauchen, Cholesterin, Diabetes und Übergewicht sind Risikofaktoren für Herzinfarkt und Schlaganfall. Was Ärzte wissen, bisher aber noch kaum durchgedrungen ist: Mindestens genauso gefährlich wie Rauchen und Diabetes ist eine eingeschränkte Nierenfunktion für die Gefäße.

Zehn Prozent der Bevölkerung sind davon betroffen. Ganz neu ist: Eine durchlässige Niere erhöht auch das Risiko für Gefäßverkalkungen in den Leisten und den Beinen und die Gefahr für Amputationen enorm. Und das schon bei geringeren Einschränkungen.

„Das ist noch nicht in den Köpfen der Menschen angekommen“, sagt Florian Kronenberg, Direktor der Sektion für Genetische Epidemiologie an der Medizin-Uni Innsbruck. Nicht einmal in den Richtlinien der großen Fachgesellschaften sei die Nierenfunktion als Risikofaktor für periphere Atherosklerose – Schaufensterkrankheit genannt – erwähnt worden.

Kronenberg ist die Erkenntnis zu verdanken. Gemeinsam mit US-Kollegen von der John Hopkins University hat er erstmals eine Mega-Studie durchgeführt. Dafür werteten die Forscher die Daten von 800.000 Teilnehmern aus 21 Langzeitstudien – die kürzeste dauerte zwei Jahre, die längste 16 Jahre – aus aller Welt aus. Das Ergebnis war, dass von den Teilnehmern, die bei der Erstuntersuchung noch keine periphere Atherosklerose hatten, 16.000 in den Nachfolgenjahren eine solche entwickelten.

Die Forscher suchten nach einem Zusammenhang. Den entdeckten sie bei zwei Parametern für die Nierenfunktion. Der erste, die glomeruläre Filtrationsrate, wird aus dem Serumkreatinin-Wert, dem Alter und dem Geschlecht errechnet. Der zweite ist Albumin, das wichtigste Bluteiweiß.

Bisher war man davon ausgegangen, dass bis zu 30 Milligramm dieses Bluteiweißes im Harn pro Tag noch vertretbar sind. Doch bereits eine Albumin-Ausscheidung (Albuminurie) von zehn Milligramm erhöht die Gefahr, eine Schaufensterkrankheit zu entwickeln, um zehn Prozent. Das ist Kronenberg gelungen nachzuweisen. Das Risiko für Amputationen steigt gleichzeitig um 40 Prozent. Diese Prozentwerte steigen mit noch höherer Ausscheidung nochmals deutlich an. „Vor allem die Albumin-Ausscheidung hat einen starken Stellenwert – besonders wenn es um Amputationen geht“, sagt Kronenberg. Die Ergebnisse, die im Fachjournal Lancet Diabetes & Endocrinology publiziert worden sind, sollten die Frage aufwerfen, ob es sinnvoll wäre, die Grenzwerte herunterzuschrauben.

Unabhängig davon müsse allerdings in therapeutischen Studien belegt werden, dass eine medikamentöse Behandlung bereits bei einer geringfügigen Albuminurie Erfolge erzielt, wie Gert Mayer, Direktor der Uniklinik für Innere Medizin VI (Nephrologie und Hypertensiologie) sagt. „Albumin-Ausscheidung ist ein exzellenter Risikomarker, der in bestimmten Situationen besser über die Gefahr Auskunft gibt als zum Beispiel das Cholesterin“, so Mayer.

Hochrisikopatienten – jene mit Adipositas, familiären Vorerkrankungen der Niere, Diabetes oder Bluthochdruck – müssten Mayer zufolge besonders auf die Nierenwerte achten. Bei der Gesundenuntersuchung wird das Serumkreatinin mitbestimmt, den Albumin-Wert im Harn muss man extra anfordern.

„Wenn der Albumin-Wert innerhalb von fünf Jahren extrem ansteigt, sollte man dies weiter abklären und behandeln“, so Mayer. Derzeit heißt das: Unabhängig vom Cholesterinwert werden ein Cholesterin- und ein Blutdrucksenker verschrieben. In Tirol werde darüber diskutiert, ein Screeningprogramm für Nierenerkrankungen zu starten.

Die Schaufensterkrankheit ist eine Vorstufe zum so genannten Raucherbein, wie Barbara Rantner, stv. Direktorin der Uniklinik für Gefäßchirurgie sagt. Betroffen seien hauptsächlich Männer ab 65 Jahren. Wer in diesem Alter bei Bewegung an Wadenkrämpfen leidet, die nach einer kurzen Rast abklingen, sollte sich die Beingefäße untersuchen lassen. Vor allem, wenn schon Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorliegen.

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