Filmmuseum: Alexander Horwath lässt „eine neue Generation“ ran 1
Wien (APA) - Am 1. Oktober übergibt Alexander Horwath die Leitung des Österreichischen Filmmuseums an Michael Loebenstein. Seine letzten Pro...
Wien (APA) - Am 1. Oktober übergibt Alexander Horwath die Leitung des Österreichischen Filmmuseums an Michael Loebenstein. Seine letzten Programmwochen sind von großen Namen wie Isabelle Huppert, Todd Haynes oder Apichatpong Weerasethakul und einer Retrospektive auf Henry Fonda geprägt. Im Gespräch mit der APA hält Horwath eine Rückschau in eigener Sache - und kritisiert Kollegen und Kulturpolitik.
APA: Herr Horwath, Sie haben das Filmmuseum fast 16 Jahre geleitet. Das ist eine halbe Generation und gleichzeitig war es eine für die Filmgeschichte nicht unwesentliche Umbruchszeit. Haben Sie sich als Begleiter eines Epochenwandels gefühlt?
Alexander Horwath: Wenn man das an den Leistungen und der Tätigkeit meiner Vorgänger Peter Konlechner und Peter Kubelka misst, die das Filmmuseum gegründet und 37 Jahre geleitet haben, dann ist das nicht so viel. Wenn man es misst an der Gehetztheit mancher Trends und Karriereverläufe und auch daran, dass ich selber bestimmte Dinge nie zu lange machen wollte, sind die 16 Jahre doch sehr viel. Aber jetzt ist es sowohl für mich als auch für das Filmmuseum besser, eine neue Generation mit neuen Energien und Gedanken einzuladen. Und ja: Die digitale Revolution war ein Einschnitt in der Geschichte des Films, der vergleichbar ist mit dem Siegeszug des Tonfilms.
APA: Im Plattensektor hat Vinyl nicht nur Chic, sondern auch wirtschaftliche Zuwachsraten. Ist eine ähnliche Trendwende auch im Kino absehbar?
Horwath: Das passiert schon. Einerseits auf der Ebene bedeutender Hollywoodfilmemacher wie Quentin Tarantino oder Christopher Nolan, die dezidiert auf Film drehen und wo immer möglich auch auf Film präsentieren wollen. Auf der anderen Seite hat die Firma Kodak zum Glück die Kurve gekratzt als einziger verbliebener Hersteller von Rohfilm, sie versteht sich mittlerweile als ein zentraler Partner bei der Überlieferung des Mediums Film. Und es gibt Kinos in den USA, die werben schon wieder damit, dass sie ein „Original Print“ zeigen. Nietzsche sagt: „Unser Schreibzeug arbeitet mit an unseren Gedanken.“ Die Gedanken der Menschheit werden in Form kultureller Artefakte niedergeschrieben und überliefert. Und tragen somit immer die Spuren und die Charakteristik der Werkzeuge, mit denen sie entstanden sind. Ein Gedanke, ein Artefakt der digitalen Kultur ist von ganz anderen Werkzeugen geprägt als die, die im technisch-ästhetischen System Film gedacht und gemacht wurden.
APA: Ist die Wertschätzung für das Medium Film in Österreich in den vergangenen 16 Jahren gestiegen?
Horwath: In gewissem Maße ist sie sicher gestiegen. Dafür verantwortlich sind Oscars, Goldene Palmen und Karrieren wie jene von Michael Haneke, Ulrich Seidl oder Christoph Waltz. Das hat konkret dazu geführt, dass ein Instrument der österreichischen Filmkultur, nämlich das Österreichische Filminstitut, in zwei Schritten deutliche Steigerungen seines Förderbudgets erhalten hat. In kleinerem Maße hat auch das Filmmuseum profitiert und eine lange schon notwendige Budgetsteigerung erhalten. Aber im internationalen Vergleich ist die Wertschätzung für den Film, die sich auch im öffentlichen, medialen Diskurs ausdrückt, niedriger anzusiedeln als in vielen anderen Ländern. Ich werde nicht müde zu sagen: Filmmuseum und Filmarchiv Austria zusammen haben ein Fünftel bis ein Drittel der Förderung, die in vergleichbaren Ländern wie Dänemark, Belgien, der Schweiz oder den Niederlanden für den Sektor Filmerbe ausgegeben wird.
APA: Was ist Ihnen im Ihrer Zeit im Filmmuseum besonders gelungen? Worauf sind Sie stolz?
Horwath: Auf die weitere Stärkung des internationalen Rufs, den das Filmmuseum genießt; auf das tolle Publikum vor Ort, das unsere Arbeit so intensiv unterstützt; darauf, dass viele jüngere Akteure, die nun die Filmkultur bestimmen werden, im Filmmuseum sehr viel gelernt haben; dass wir wichtige Publikationsreihen und ein DVD-Label, die „Edition Filmmuseum“, mitbegründet haben; dass unsere Vermittlungstätigkeit für Jugendliche wie für Erwachsene international als leuchtturmhaft gesehen wird; dass wir mit vielen Künstlerinnen und Künstlern kooperieren konnten, sowohl was neue Arbeiten als auch Restaurierungsprojekte betrifft. Ich habe diese 16 Jahre damit verbracht, die unersetzbare Wahrnehmungsweise des Films nicht nur zu bewahren, sondern sie auch als anregende Form für neue Werke zu verstehen und fruchtbar zu machen. Das hört nie auf.
APA: Was sind die großen ungelösten Aufgaben, die Sie an Ihren Nachfolger übergeben?
Horwath: Die Entwicklung eines österreichischen Film Preservation Center, getragen von vielen verschiedenen Institutionen und Interessenten und vor allem von der Republik selbst, war eine schöne Erfahrung der letzten zwei Jahre. Dabei geht es darum, eine notwendige, neutrale und hochklassige Stätte der Filmüberlieferung zu schaffen, die allen dient, die mit dem analogen Film arbeiten - und die eben nicht dem Filmmuseum oder dem Filmarchiv Austria „gehört“. Nach jahrelanger Überzeugungsarbeit hat Minister Thomas Drozda (SPÖ, Anm.) im Februar die Realisierung angekündigt. Aber soweit ich das sehe, haben erneut Einzelinteressen eines Players dazu geführt, das auf die lange Bank zu schieben.